„Sie pfeifen auf das Grundgesetz!“

„Sie pfeifen auf die BVV, Sie pfeifen auf das Straßengesetz, Sie pfeifen auf den Grundsatz der Gleichbehandlung und Sie pfeifen damit auf das Grundgesetz!“ Wolfram Kempe, Vorsitzender des Ausschusses für öffentliche Ordnung, Verkehr und Verbraucherschutz, war nicht mehr zu bremsen, als er die Antwort von Stadtrat Jens-Holger Kirchner auf die Große Anfrage der Linksfraktion (siehe Download unten) vernommen hatte. Mit der sollte geklärt werden, warum das Bezirksamt von der Deutschen Bahn AG für die Aufstellung ihrer „Call-a-Bike“-Stationen trotz eindeutigen Beschlusses

“Call-a-Bike”-Station: Illegal auf öffentlichem Straßenland?

“Call-a-Bike”-Station: Illegal auf öffentlichem Straßenland?

der Bezirksverordnetenversammlung keine Gebühren für die Nutzung öffentlichen Straßenlandes erhebt.

Bereits im Mai dieses Jahres hatte Kempe in einer kleinen Anfrage nach den Nutzungsgebühren gefragt und von Kirchner zur Antwort erhalten: „Da es sich um ein Pilotprojekt handelt, welches von der Stadt Berlin und damit auch von den Bezirken gefördert werden soll, bat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung darum, für die Pilotphase (bis Ende 2012) von der Erhebung von Sondernutzungsgebühren abzusehen.“

Wolfram Kempe und seine Linksfraktion sahen aber nicht ein, warum der ewig klamme Bezirk auf das Geld vom

Kontrahenten Jens-Holger Kirchner (links), Wolfram Kempe

Bahnkonzern verzichten sollte. Die Mehrheit der Bezirks-
verordneten sah das ebenso und stimmte Ende Juni einem Antrag der Fraktion zu, in dem das Bezirksamt aufgefordert wurde, „für alle im Bezirk Pankow befindlichen Standorte des Fahrradmietsystems ‚Call-a-bike‘ der Deutschen Bahn AG die jeweils ortsüblichen Gebühren für die Sonder-
nutzung öffentlichen Straßenlandes zu erheben.“
(siehe Download) Danach geschah… – nichts.

Die Anworten, die Stadtrat Jens Holger Kirchner nun auf die Große Anfrage der Linksfraktion gegeben hatte, erwiesen sich als ein grandioses Eigentor. „Dem Bezirksamt ist im Übrigen nicht bekannt, dass sich der Rechnungshof zu dieser hier in Rede stehenden neuartigen Sondernutzung bereits geäußert hat“, erklärte Kirchner den Bezirksver-
ordneten, doch Kempe zitierte aus dem Protokoll einer

Wolfram Kempe: ''Sie pfeifen auf das Grundgesetz!''

Informationsveranstaltung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, an der der Stadtrat teilgenommen hatte und in der die Kritik Rechnungshofes an jener Gebührenfreistellungspraxis thematisiert wurde. Kempe: „Wo waren Sie, als das besprochen wurde? Gerade mal draußen?“
Und auch von dem Umstand, dass der Zweck der Gebühr-
enfreiheit ausschließlich in der Gewährung wirtschaftlicher Vorteile für die Deutsche Bahn besteht, wollte der Stadtrat noch nie etwas gehört haben – und wieder rieb ihm Kempe ein Protokoll unter die Nase, das das Gegenteil belegte.

Die Darlegung Kirchners, dass von der DB keine Sicher-
heitsleistung erhoben wurde, weil laut Gesetz die Erteilung der Erlaubnis von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht werden kann, aber nicht muss, konterte der Bezirksverordnete, dass selbst bei bedeutend kleineren gemeinnützigen Projekten der Stadtrat eine Sicherheitsleistung für unabdingbar hielt und zitierte aus einer von ihm verfassten Mitteilung: „In der Tat kann das geltende Straßenrecht hier keine Unterschiede zu anderen Antragstellern machen und muss den Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigen. (Siehe Download „Bücherschrank“.)

Bezugnehmend auf Kirchners Aussage, er werde „bis zur abschließenden Klärung zu den Sondernutzungsgebühren“ die Kooperationsvereinbarung mit der Deutschen Bahn nicht zu unterzeichnen, fragte Kempe abschließend: „Auf welcher Grundlage stehen die Dinger dann da?“, und kam zu dem Schluss, dass sich die Call-a-bike-Stationen illegal auf Pankower Straßenland befänden.

Cornelius Bechtler: ''Krümelkackerisch''

Mittlerweile tobte der Saal – teils vor Vergnügen, teils vor Empörung – da versuchte der bündnisgrüne verkehrspolitische Sprecher Cornelius Bechtler seinem Parteikollegen Kirchner beizuspringen.
„Sie führen einen Kreuzzug“, rief er dem Linkspolitiker zu, „in Paris gibt es fast an jeder Straßenecke eine Verleihstation. Sie sind krümelkackerisch gegenüber einem Projekt, das von Ihrer eigenen Regierungsfraktion im Abgeordnetenhaus gefördert wird. Wollen Sie dieses Modellprojekt verhindern?“ Kempes Einwand, wenn jeder kleine Gastwirt Gebühren für die Nutzung öffnetlichen Straßenlandes zahlen müsse, könne das der große Bahnkonzern ebenso, ließ Bechtler nicht gelten: Der Erlass der Gebühren sei notwendig, weil ein solches Verleihsystem sonst nicht wirtschaftlich geführt werden könne.

Der sozialdemokratsiche Verkehrsexperte Roland Schröder stellte zum Ende des Schlagabtausches schließlich fest: Stadtrat Jens Holger Kirchner habe gerade noch so den Weg gefunden, wenn er sagt, dass er den Vertrag nicht unterschreibe. Das sei ein Schritt in die richtige Richtung. Zuerst müssten die möglichen Folgen für den Bezirk abgekärt werden.

Was nun allerdings mit den Fahrradstationen passieren soll, die da offensichtlich im rechts- und vertragsfreien Raum stehen, wurde an diesem Abend nicht mehr erörtert. Gastwirte und Straßenhändler jedenfalls müssten in einem solchen Fall den Platz unverzüglich räumen – oder zahlen.
 

 

[download id=“178″]

[download id=“179″]

[download id=“180″]

 

 

 



4 Kommentare zu “„Sie pfeifen auf das Grundgesetz!“”

  1. suffi

    Sep. 15. 2011

    Ein typischer Kirchner das, köstlich…

    Reply to this comment
  2. Bimbam

    Sep. 17. 2011

    Die Linke spinnt doch!! Anstatt sich über mehr Leih-Fahrräder zu freuen, versucht sie das über diese Gebührendiskussion zu behindern. Was soll dieser Quatsch?

    Reply to this comment

Kommentar schreiben

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu. Danke!

Datenschutzerklärung
Social Media Auto Publish Powered By : XYZScripts.com