Blüten – gemalt und geschrieben

Es klappt sowieso nicht.
Meistens scheitert man ja schon daran, so etwas Alltägliches wie einen Baum zu beschreiben. Wenn jenes Allerwelts-
gewächs dann aber noch – mal bildlich gesprochen – den Weg über die Augen und durch allerlei Seh- und andere Nervenbahnen in Hirn und Rückenmark gelangt, dortselbst durch stöchiometrische Gleichungen (glückliche Naturwissenschaft!) konkret ausdrückbare chemische Reaktionen hervorruft, welche wiederum elektrische Ströme auslösen, die dann im Falle eines Falles in den jeweiligen Ganglien den richtigen aus der Vielzahl der angebotenen Wege benutzen, um so an deren Ende die genau jene

Muskelkontraktionen auslösen, welche dann eine pinselführende Hand… – kurz: Wenn ein Baum für sich schon nicht zu beschreiben ist, wie soll dann das auf Leinwand, Karton, Holz, Papier… gestaltete Bild eines Baumes, das ja Baum plus Persönlichkeit plus Erlebnisse mit und ohne Bäume plus Assoziationen aller möglichen Art darstellt – wie soll das bitteschön adäquad in Worte gefasst werden können?
Eben!
Galeristen aber stehen vor Beginn einer jeden Ausstellung vor eben genau dieser unlösbaren Aufgabe – beziehungsweise sie glauben, eine solche zu haben. Heraus kommt dann soetwas:

„In Katja Schütt`s aktuellen Arbeiten trifft postromantische Natursymbolik auf fette und ausufernde Blütenstände, tropisch-prachtvolle Knospen, die leidenschaftlich werben, gefallen wollen, ausufern und übertreiben – Ein Kosmos tut sich auf!“

Mal davon abgesehen, dass bei der Produktion solcherart Unfälle stets treffsicher die schlimmstmöglichen aller Sprachverhunzungen verarbeitet werden (nichts „tut sich auf“ – es öffnet sich höchstens!) – was heißt hier „ein Kosmos“? Wieviele Kosmosse… Kosmi… Kosmata, …äh…Kosmen gibt es denn so?
Aber es kommt noch dicker:
„In Ihren Bildern…“ – hä? In meinen Bildern…? Auch schon egal, also weiter: „… auf Holz und Zeichnungen auf Papier fließen große Formen in kleine, Strukturen erobern das Große-Ganze, Ebenen werden verschränkt, neue Zusammenhänge entstehen. Exotik, Erotik, Fruchtbarkeit, Überlebensdrang – verführerisch, narkotisierend, surreal.“

Neulich im Spätverkauf. Die Verkäuferin ordnete gerade postromatisch ihre fetten und ausufernden Blütenstände, als ein Kunde den Laden betrat. „Einen Kosmos bitte. „Einen, bei dem große Formen in kleine fließen?“ Der Mann verschränkte seine Ebenen. „Och nö, eher die da.“ Er wies auf Strukturen, die gerade dabei waren, das Große-Ganze zu erobern. „Wie surreal!“ „Jaja, da enstehen neue Zusammenhänge…“

Leute!!!

Leute, die ihr eine der interessantesten Galerien dieser Stadt führt: Redet doch mal mit euren Künstlern. Und mit den Künstlerinnen. Katja Schütt ist nicht nur eine interessante, sondern auch eine freundliche Frau – sie hätte euch bestimmt davon erzählt, mit welcher Spannung sie einstmals beobachtete, wie unbehandeltes Fotopapier sich langsam verdunkelt und die Strukturen der darauf abgelegten Gegenstände abbildet. Sie hätte euch berichtet, welche Anziehungskraft alte Zeichnungen auf sie ausüben, auf denen Forschungs-
reisende längst verflossener Jahrhunderte dereinst akribisch die für sie so neuartige Pflanzenwelt darstellten. Und ihr hättet erfahren können, wie sehr sie den Drang, die Lust verspürt, diese einst als wissenschaftliche Dokumente gefertigten Bildnisse für sich zu übersetzen und passend zu machen nach ihrem Gefühl.
Das – und ruhig noch etwas mehr – in leicht verständliche fünf, sechs, sieben Sätze zusammengefasst, und man hätte neben den Daten über Geburt und beruflichen Werdegang etwas ganz Persönliches von jenem Menschen erfahren, der da einen Teil seines Ichs an die Galeriewände hängt – und vielleicht auch darüber, warum er das tut.
Und weg mit diesen pseudointellektuellen Schwurbeleinen, denn sie sind nichts weiter als… – Hurz!

So und kurz noch zur Sache:

Florida ist der Titel der am Dienstag in der Staatsgalerie Prenzlauer Berg eröffneten Ausstellung von Werken der in Gera geborenen und seit 1999 in Berlin lebenden Künstlerin Katja Schütt. „Florida“ bezieht sich nicht auf den gleichnamigen Bundesstaat der USA, sondern auf das spanische Wort für der/die/das Blühende. Gezeigt werden Collagen, Applikationen und Malerei. Wer diese wunderschön verspielten Arbeiten im Original betrachten möchte (was hier ausdrücklich empfohlen wird), der möge sich sputen: Bereits am 14. Oktober – also am Freitag – schließt die Ausstellung wieder.

 

 

Katja Schütt

„Florida“

Malerei, Grafik, Applikationen

11.10.2011 – 14.11.2011

STAATSGALERIE PRENZLAUER BERG
Greifswalder Straße 218
Öffnungszeiten: Di-Sa 13-19 Uhr sowie nach Absprache

 

 

 



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