SPD und Grüne streben in Pankow einen Kooperationsvertrag an für die Gestaltung der Politik in der kommenden Legislaturperiode an. Das erklärte gestern (Dienstag) Abend Jens-Holger Kirchner vor der Mitgliederversammlung der Pankower Bündnisgrünen. Sollte man sich in den derzeit laufenden Zählgemeinschaftsverhandlungen auf eine derartige Arbeitsgrundlage einigen können, wäre dies „so eine Art Koalition“ auf Bezirksebene. Der derzeitige Ordnungsstadtrat gehört der Verhandlungsgruppe seiner Partei für die Bildung des neuen Pankower Bezirksamtes an. Nahe, so Jens-Holger Kirchner, sei man sich bei den Vorstellungen über den Zuschnitt der von den Stadträten zu verantwortenden Sachgebiete. So soll das Stadtentwicklungsamt künftig zusammen mit dem Tiefbau- und Landschaftsplanungsamt
in einer (Stadtrats-) Hand gebündelt werden. Bereits Ende September hatten die Pankower Grünen – neben dem Verzicht auf eine eigene Bürgermeisterkandidatur – ihren Anspruch auf ein in dieser Form zugeschnittenes Ressort angemeldet.
Die Bereiche Jugend und Schule zusammenzulegen, würde auch von der SPD als eine machbare Konstellation angesehen werden. Problematisch sei hingegen der Bereich Kultur. Kirchner: „Kultur will keiner haben“. Der Grund sei wohl darin zu suchen, dass dort jährlich ein Defizit von 1,4 Millionen Euro „erzeugt“ wird, das in der kommenden Legislaturperiode abgebaut werden müsse. Dies soll aber nicht durch eine Reduzierung des Angebots, sondern durch eine „Effizienzsteigerung“ geschehen.
Doch nicht nur bei der Kultur sehen Grüne und SPD Einsparmöglichkeiten. Cornelius Bechtler, bisher Vorsitzender des Finanzausschusses der BVV und neuer Fraktions-
vorsitzender der Pankower Grünen, berichtete von einem Haushaltsloch in Höhe von 5 Millionen Euro, das geschlossen werden müsse. Man sei sich mit der SPD darüber einig, einen ausgeglichenen Bezirkshaushalt zu erreichen. Eine Möglichkeit, Geld in die Kassen zu bekommen, sei ein effektiveres Management der bezirkseigenen Immobilien. So habe die SPD den Vorschlag unterbreitet, den Bezirksamts-Standort Prenzlauer Berg in der Fröbelstraße aufzugeben. Die Bündnisgrünen, erklärte Bechtler, stünden diesen Überlegungen offen gegenüber, denn: „Die Fröbelstraße ist ein Millionengrab“. Marode Bausubstanz und für die heutige Nutzung oft nicht geeignete Räumlichkeiten ließen ein Weiterbetreiben des Standortes wenig effektiv erscheinen.
Allerdings soll die Immobilie keinesfalls verkauft werden, sondern neuen Nutzern in Erbbaupacht überlassen werden. Bechtler sprach unter anderem von der Möglichkeit, dort Kultureinrichtungen anzusiedeln.
Andreas Otto, baupolitischer Sprecher seiner Fraktion im Abgeordnetenhaus, berichtete, dass die Sozialdemokraten einen Ankauf des noch im Besitz der Immobilienhandelsfirma Vivico befindlichen Areals des Mauerparks durch das Land Berlin favorisieren. Allerdings sei dies lediglich eine Idee des Pankower SPD-Kreisverbandes, der noch nicht mit der Landespartei abgesprochen wurde. Der Kaufpreis solle dann zum einen durch Spenden, die die „Mauerpark Stiftung Welt-Bürger-Park“ einsammelt, zum anderen über die
Verpachtung von Grundstücksteilen (zum Beispiel an den Flohmarkt oder an die gastronomischen Einrichtungen) refinanziert werden. Allerdings, so Andreas Otto, sei die Skepsis der SPD gegenüber der Weltbürgerparkstiftung ob ihrer Fähigkeit, tatsächlich eine nennenswerte Summe einzusammeln, nach wie vor evident. Wohl auch daher wurde von sozialdemokratischer Seite eine Bebauung der Nordseite des Parks angesprochen: Der Erlös daraus würde dann ebenfalls dem Ausgleich des Kaufpreises dienen. Dies sei allerdings ein Ansinnen, das die Bündnisgrünen „nicht unterschreiben“ werden, erklärte Otto. Stattdessen sollte man eine Frist von vielleicht einem Jahr ins Auge fassen, und
dann, falls nötig, über eine effizientere Stiftungsstruktur nachdenken. Vor allem aber seien die Sozialdemokraten erst einmal aufgefordert, sich bei der Spendensammlung aktiver zu beteiligen. Andreas Otto: „Wie wäre es denn mit Klaus Wowereit als aktiven Spendensammler?“
Die Wünsche betreffs der Zukunft des ehemaligen Rangierbahnhofs Pankow gehen bei SPD und Grünen nach wie vor auseinander. Während die SPD die Planungen von Eigentümer Kurt Krieger unterstützt, neben einem Möbelhaus und einem Möbeldiscounter auch eine großdimensionierte Shopping Mall zu errichten, sind die Bündnisgrünen weiterhin explizit gegen ein großes Einkaufszentrum auf dem ehemaligen Bahngelände. Um die tatsächlichen Auswirkungen der Krieger-Planungen real einschätzen zu können, soll ein unabhängiges Verträglichkeitsgutachten erstellt werden. Denn, so Jens-Holger Kirchner, das im Auftrag von Möbel-Magnat Krieger erstellte Verkehrsgutachten habe auch die SPD-Vertreter im BVV-Verkehrsausschuss nicht überzeugt. Einig sei man sich mit der SPD darüber, so Kirchner weiter, dass es zur Entwicklung des Geländes eine über die gesetzliche Norm hinausgehende Bürgerbeteiligung geben soll. Allerdings gingen die Ansichten darüber, wie diese aussehen könnte, bei beiden Parteien noch auseinander. Die SPD-Vertreter hätten die Befürchtung geäußert, dass die Beteiligung der Bürger eine Art „Bürgerwerkstatt“ hervorbringen könnte, bei der die Beteiligten auf dem Areal dann „einen See und einen Zirkus“ planen.
Die Gespräche beider Parteien werden fortgesetzt. Die bündnisgrüne Verhandlungsgruppe will am 25. Oktober in einer weiteren Mitgliederversammlung über den Fortgang der „Koalitions“-Verhandlungen berichten.
Weitere Artikel zum Thema:
Durchgesetzt: Sabine Röhrbein (SPD) wird neue BVV-Vorsteherin
Ab sofort: Unteilbare Ämter
Grüne wollen Pankower Super-Stadtentwicklungsressort