Vereinbarung mit beschränktem Effekt

Die am vergangenen Dienstag von Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner unterzeichnete Vereinbarung zur sozialverträglichen Modernisierung von fünf Wohnhäusern der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG mag zwar sozial schwache Mieter der fünf betroffenen Gebäude eine Zeit lang vor für sie unbezahlbaren Mieten schützen – ein Beitrag zur Dämpfung der Mietpreisexplosion in Prenzlauer Berg, und wäre er noch so bescheiden, ist der Vertrag jedoch mitnichten.
Da werden nicht nur „ortsübliche“ Mieten aufgerufen – und in zumindest einem Fall noch ein bisschen mehr – sondern der GEWOBAG ohne mit der Wimper zu zucken bei Neuvermietungen ein Mietaufschlag von zwanzig Prozent zugestanden. Was andernorts als hart an der Grenze zur Wirtschaftsktiminalität angesehen wird, gilt in Prenzlauer Berg als soziale Wohltat. Und als Dankeschön für so viel Großzügigkeit stellt der Bezirk dem Unternehmen Ausweichwohnungen aus dem geschützen (und also preiswerten) Marktsegment zur Verfügung und organisiert via Mieterberatung Prenzlauer Berg einen reibungsarmen und somit der GEWOBAG Zeit und Geld sparenden Ablauf der Umzüge.

Der Senat ist in der Pflicht

Das unzureichende Verhandlungsergebnis ist allerdings erst zuletzt dem Bezirksamt anzukreiden. Denn die GEWOBAG ist eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, mithin bestimmt der Senat die Unternehmenspolitik. Jener Senat, in dessen Koalitionsvereinbarung geschrieben steht: „Wir wollen eine Stadt der bezahlbaren Mieten“.

Wenn die Berliner Landesregierung tatsächlich Ernst damit machen will, muss sie Abschied nehmen von einer rein betriebswirtschaftlichen Ausrichtung ihrer Wohnungsbauunternehmen. Denn der langfristig entstehende Schaden, der durch eine Segregation und die Existenz einer in Alter und sozialer Hinsicht weitgehend homogenen Einwohnerstruktur, wie sie in weiten Teilen von Prenzlauer Berg bereits zu verzeichnen ist, wird auf Dauer Kosten verursachen, die in keinem Verhältnis zu dem kurz- oder mittelfristigen Gewinn stehen, den das ausschließlich betriebswirtschaftliche Handeln der Wohnungsbaugesellschaften in die Kasse spült.

Geltendes Recht endlich anwenden

Doch nicht nur die Umwandlung des der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften hin zu wohnungspolitischen Instrumenten muss endlich in Angriff genommen werden. Auch jene Richtlinie, nach der die Jobcenter die Zwangsumzüge von ALG-II-Empfängern wegen „unangemessener“ Unterkunftskosten verfügen, gehört endlich entsorgt.

Bereits 2010 hatte das Bundessozialgericht festgestellt, dass die Berliner Ausführungsvorschrift (AV) Wohnen, für die Bestimmung „eines angemessenen Quadratmeterpreises innerhalb des örtlichen Vergleichsmaßstabs (des gesamten Stadtgebiets von Berlin) nicht geeignet“ ist.

Und obwohl mit der Novellierung des SGB II vom vergangenen Jahr der Gesetzgeber nun konkret festgelegt hat, wie eine solche „Satzung“ beschaffen sein muss, agiert man hier immer noch mit dem Altpapier von 2009.

Im neu eingefügten Paragraph 22a SGB II wird festgelegt, dass die Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die auch Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt berücksichtigen sollen. Dazu zählen: Die Vermeidung von Mietpreis erhöhenden Wirkungen (wie z.B. durch einen hohen Aufschlag bei der Neuvermietung leergezogener Wohnungen) und die Schaffung und Erhaltung sozial ausgeglichener Bewohnerstrukturen.

Würde das geltende Recht endlich in Berlin angewendet werden, müsste wohl kaum einer der wenigen noch verbliebenen Prenzlauer Berger Hilfeempfänger nach einer Modernisierung einen Zwangsumzug fürchten. Auch jene nicht, die in privaten Häusern wohnen und schon deshalb von Bezirksamtsvereinbarungen eher selten profitieren.

 

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Sanierungsvereinbarung zwischen GEWOBAG und Bezirk

 

 



Kommentar zu “Vereinbarung mit beschränktem Effekt”

  1. Brigitte Schilling

    Feb 03. 2012

    „Sozial schwach“ sind wohl eher die Hauseigentümer….

    Reply to this comment

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