Mondfest und Kita-Erweiterung


 

Chang’e war ein Mädchen, das im Himmelspalast Dienst tat. Als sie aus Versehen ein kostbares Glas zerbrach, zürnte ihr der Herrscher des Himmels und verbannte sie auf die Erde. Dort verliebte sie sich in den Bogenschützen Houyi. Eines Tages erschienen statt einer Sonne zehn Sonnen am Himmel und versengten die Erde. Houyi stieg auf einen Berg und schoss neun Sonnen herunter. Er wurde als Held gefeiert und zum Kaiser gekrönt. Nun wollte Houyi unsterblich werden und ließ sich dafür eine Medizin herstellen. Als aber Chang’e aus Neugier davon probierte, nahm sie zuviel. Sie wurde sie nicht nur unsterblich, sondern schwebte hoch bis hin zum Mond.

Der Bogenschütze Houyi (rechts an der Wand)

Während Kita-Leiterin Sylvia Chiung-Wen Liu Raddatz das Märchen vom Mädchen Chang’e und Houyi, dem Bogen-
schützen vorliest, halten die Kinder Papierfiguren in das Licht eines Projektors: Die zehn Sonnen, den Bogen-
schützen Houyi, die Mondprinzessin Chang’e, den Himmelspalast.
Das Schattenspiel war Teil einer Feier der deutsch-chinesischen Kindertagesstätte. Dort wurde am Mittwoch nicht nur das chinesische Mondfest begangen, sondern auch die Erweiterung der in Berlin einmaligen Einrichtung gefeiert. Gleich neben dem Ladenlokal in der Dunckerstraße 90a, in dem derzeit sechzehn Kinder betreut werden, wurden weitere Räume für elf ein- bis dreijährige Kinder fertiggestellt.

Tom und Matthias Kannegießer

Begonnen hatte alles mit Tom.

Nach der Geburt ihres Sohnes machten sich Jianqiu Wang und Matthias Kannegießer auf die Suche nach einer Tageseinrichtung für ihren Sohn. Zweisprachig sollte sie sein: Deutsch und Mandarin – Tom sollte sowohl mit der Vater- als auch mit der Muttersprache aufwachsen. Und das den ganzen Tag lang und nicht nur des Abends und an den Wochenenden zu Hause.
Nun gibt es in Berlin ja alle möglichen zweisprachigen Kindereinrichtungen: Deutsch-russische, deutsch-französische, deutsch-arabische, deutsch-türkische, deutsch-englische… – eine deutsch-chinesische Kindereinrichtung aber war nicht zu finden.
Es gab schlicht keine.
Nicht in Berlin, nicht in Deutschland.
Da blieb nur eines übrig: Selbst eine aufbauen. Schon zuvor hatten Jianqiu Wang und Matthias Kannegießer zusammen mit deutschen und chinesischen Freunden darüber nachgedacht, einen Verein zu gründen, der Chinesen, die wegen eines Studiums, einer Arbeit oder

Sylvia Chiung-wen Liu-Raddatz und ihre Schützlinge

als Ehepartner nach Berlin kommen, Orientierung und Unterstützung anbietet.
Im Sommer 2008 setzten die das Gedankenkonstrukt
in die Tat um: In einem Kreuzberger Lokal wurde der Verein „Das China Büro e.V“ aus der Taufe gehoben – als Trägerverein für die bundesweit erste deutsch-chinesischen Kita. Als dann ein Raum gefunden und per Flyer und Kleinanzeigen Interessenten für das Projekt gesucht wurden, war schnell klar: Die Nachfrage war bedeutend größer, als das Angebot sein konnte.
Viel Wert legten die Kita-Gründer auf die Qualifikation der Erzieherinnen. So hat Kita-Leiterin Sylvia Chiung-Wen Liu Raddatz nicht nur einen Bachelor-Abschluss als „Kindergarten Teacher Education“ des National Taipei

Ein Lied zum Mondfest - auf mandarin

Teachers College in Taiwan, sondern auch weiterführende deutsche Ausbildungen vorzuweisen. Sie ist für die chinesische Kommunikation mit den Kindern zuständig.
Auch die deutschen Betreuerinnen sind gestandene Fachkräfte mit entsprechenden Abschlüssen.

Trotz der Exklusivität, die der Tagesstätte nun einmal innewohnt, legt der Verein Wert darauf, dass die Kita keine „Eiliteeinrichtung“ für Kinder von Großverdienern ist. Das soll auch der in Grenzen gehaltene, zusätzlich zum Betreuungsgutschein zu leistende Obolus dokumentieren: Monatlich 50 Euro für die zweisprachige Betreuung plus 23 Euro für das Bio-Mittagessen.
Im neueröffneten Teil – der sowohl mit Mitteln des

Jona und Annika Pasier

Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, als auch mit einem Kredit sowie mit Eigen-
leistungen des Vereins errichtet wurde, sind die Plätze bereits belegt.
Einen davon hat sich Annika Pasier für ihren Sohn Jona sichern können. Jona wird demnächst ein Jahr alt und hat einen chinesischen Vater. Er soll sich mit seinen chinesischen Großeltern einmal genauso gut unterhalten können, wie mit seinen deutschen Verwandten. Und so ist es sehr wahrscheinlich, dass seine ersten Worte nicht nur „Mama“ und „Papa“ sondern auch 妈妈 und 爸爸 lauten werden.

 

 



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