Pankows Rettung: Sparen bei den Alten

stilleausschussRatlose Gesichter überall. Im vollbesetzten Sitzungsraum von Haus 6 in der Fröbelstraße berät der BVV-Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Senioren den Doppel-
haushalt 2012/2013. Auf der Tagesordnung steht die sofortige Schließung der Seniorenfreizeitstätten in der Hauptstraße (Französisch-Buchholz) und in der Stille Straße in Alt-Pankow. Die Einrichtung in der Hauptstraße, erklärt Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz, hätte man sowie verloren, da das Haus hat einen neuen Eigentümer und der hat offenbar anderes mit den Räumlichkeiten vor. Die Einrichtung in der Stille Straße habe man zur Schließung ausgewählt, weil es in der weiteren Umgebung noch andere Seniorentreffs gebe.

Seniorenvertreterinnen: Die Betroffenen nicht gefragt

Im Raum sind auch zwei Angehörige der Pankower Seniorenvertretung, kürzlich erst mit nicht einmal einem Prozent aller Wahlberechtigten gewählt und danach von Lioba Zürn-Kasztantowicz in ihr Ehrenamt berufen, sollen sie die Interessen der betagten Pankower vertreten. Doch auf die Frage des Ausschussvorsitzenden Axel Bielefeldt kommt lediglich ein Echo jener Worte zurück, die zuvor aus dem Mund der Bezirksstadträtin entwichen waren: Es gäbe in der Umgegend der Stille Straße noch weitere Einrichtungen – daher keine Gegenrede zur Schließung. Axel Bielefeld hakt nach: Ist das die Meinung der der Seniorenvertretung oder haben sich die betroffenen Nutzer der Begegnunsstätte dementsprechen geäußert? Unsere Meinung, antwortet die stellvetretende Vertretungs-
vorsitzende Christa Arndt.

Helga Adler: Kein Sparen zu Lasten der Schwächsten

Diejenigen, deren Interessen sie vertreten soll, wurden offenbar gar nicht erst gefragt. Dafür nehmen andere gegen den Kahlschlag Stellung.

Helga Adler von der Linksfraktion etwa, die sagt, sie sei als Bezirksverordnete für ein lebenswertes Pankow angetreten und kann diese Streichungen nicht mittragen. Oder Dieter Stenger, Finanzexperte der CDU-Fraktion und Vorsitzender des BVV-Rechnungsprüfungsausschusses, der ebenfalls seine Bedenken gegen die Schließung der Einrichtung in der Stille Straße äußert.
Und: Gab es nicht vor gar nicht allzu langer Zeit einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung, in dem ausdrücklich der Erhalt jener Seniorenfreizeitstätte gefordert wurde? Dem das Bezirksamt seine Zustimmung gab? Denn die in begehrter Lage befindliche Immobilie sollte schon


Lioba Zürn-Kasztantowicz: Schließung bringt 60.000 Euro

bei den vorangegangenen Haushaltsverhandlungen zum Zwecke der Veräußerung an den Liegenschaftsfond übertragen werden. Damals hatten die Senioren heftig protestiert.
Sie wurden erhört und der entsprechende BVV-Beschluss schien den Erhalt zu besiegeln.
Die Beschlüsse von gestern…

Durch die Aufgabe des Seniorenzentrums werde der Haushalt um 60.000 Euro entlastet, sagt Lioba Zürn-Kasztantowicz, und: Ich habe im Gesundheitsamt ohne inhaltliche Grundlagen eine Stelle gestrichen – nur weil sie eben gerade nicht besetzt ist.


Cornelius Bechtler (links): Widerstand ist zwecklos

Klaus Lemmnitz vom Verein Pro Kietz fordert die Bezirks-
verordneten auf, sich den Vorgaben des Senats zu verweigern: Lassen Sie sich auf dieses Spiel nicht ein! Es trifft immer die Senioren und die Obdachlosen!
Das nun wieder will Cornelius Bechtler, bündnisgrüner Vorsitzender des Pankower Haushaltsausschusses, auf gar keinen Fall so stehen lassen: Die Möglichkeit, nicht mitzumachen, gibt es nicht. Wir haben keine Macht, etwas daran zu ändern.
Immerhin, das Wort ‚alternativlos‘ benutzt er nicht.
Die Ausschusssitzung neigt sich dem Ende und auf dem Flur hebt Blasmusik an. Die allerdings gilt nicht dem hier tagenden Ausschuss: Die Bolschewistische Kurkapelle hatte sich bloß im Eingang geirrt. Sie wollte dem Kulturausschuss den Marsch blasen. Der aber tagte diesmal im großen BVV-Saal

 

 

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Kommentar zu “Pankows Rettung: Sparen bei den Alten”

  1. Bin Berlin

    Feb 29. 2012

    diesem ODK-Artikel vom Pankower „Sparen bei den Alten“ sehen wir von BIN-Berlin als Teil eines Triptychons, den wir „Alt werden 2012 in Ost-Berlin“ nennen:
    https://twitter.com/#!/BinBerlinerIn/status/174470021836324866
    die beiden anderen Bestandteile,ebenso aus den letzten Februatagen 2012, erblicken wir in der Nachricht, dass Werner Castorf, der Vater des Volksbühnenchefs Frank Castorf, am Tag vor seinem 90.Geburtstag erstmals vor Gericht zu erscheinen hatte – wegen Mietrückstand.
    http://www.tagesspiegel.de/zeitung/berlin-ecke-pappelallee/6260768.html
    sowie in diesem TV-Bericht über alte Menschen in Köpenick, denen ähnliches droht, weil deren Mieten zum Teil um über 53Prozent heraufgesetzt wurden:
    http://www.rbb-online.de/abendschau/archiv/archiv.media.%21etc%21medialib%21rbb%21rbb%21abendschau%21abendschau_20120227_miete.html
    Ob man das alles dem Begriff „gentrification“ unterordnen kann, halten wir dabei übrigens für nachrangig…

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