Stille Straße: Sozialausschuss stimmt für Schließung

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„Sie wollen uns unsere sozialen Kontakte wegnehmen!“ Bei der Sitzung des BVV-Ausschusses Arbeit, Soziales, Gesundheit und Senioren schlugen die Wogen der Emotionen hoch. Zahlreiche Seniorinnen und Senioren der Begegnungsstätte Stille Straße waren erschienen und machten ihrem Unmut Luft. Computerkurs, Malzirkel, Bridgegemeinschaft, Gymnastikgruppen… – rund 300 Mitglieder zwischen 60 und 95 Jahren sind dort in 29 Gruppen aktiv. Für viele von ihnen ist die unscheinbare Villa am Rande des Majakowskirings längst zum Lebensmittelpunkt geworden. Dass ihnen ihr Treffpunkt genommen werden soll, stößt auf Unverständnis, Bitternis und Wut.

Hieß es anfangs, dass die Schließung der Senioren-
freizeistätte 60.000 Euro an Einsparungen bringen würde, war jetzt nur noch von 52.000 Euro die Rede – und hierbei handelt es sich ausschließlich um die Kosten, die das Gebäude verursacht. Dass diese vergleichsweise läppische Summe vom Bezirk nicht mehr aufgebracht werden könnte, war den Betroffenen schwer zu vermitteln. Also wies Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz auf die Sanierungsbedürftigkeit des Hauses hin. Barrierefreiheit müsse hergestellt, ein Fahrstuhl eingebaut werden – weit über zwei Millionen Euro seien dafür in den Investitionsplan für 2015 eingestellt worden. „Wir

brauchen keinen Fahrstuhl“, hallte es ihr da unisono entgegen. Die bündnisgrüne Bezirksverordnete Ute Schnur versuchte daraufhin zu erklären, dass auch Menschen wie sie, die sie selbst im Rollstuhl sitzt, die Möglichkeit haben müssen, eine solche Einrichtung zu besuchen. Und das ginge eben nur, wenn sie barrierefrei zu erreichen sei. Warum dies aber ein Grund sein sollte, künftig 300 betagten Menschen ebenfalls den Zutritt zu verwehren, erschloss sich nicht wirklich.
Auf wenig Gegenliebe stieß auch die Offerte der Stadträtin, die einzelnen Gruppen auf verschiedene Einrichtungen zu verteilen. Dass Erreichbarkeit für ältere Menschen nicht nur

eine Frage der Barrierefreiheit ist, sondern auch etwas mit Entfernung zu tun hat, schien bei den Angeboten keine Rolle zu spielen. Das Ansinnen, einige Kurse der Seniorenfreizeit-
stätte gar in die Obhut der Volkshochschule zu übergeben, ließ darüber hinaus auf eine tiefe Unkenntnis der Besonderheiten der Seniorenarbeit erkennen, bei der nicht nur die Betätigung der Betroffenen eine Rolle spielt, sondern auch der Ort, der nicht selten als „zweites Zuhause“ empfunden wird.

Grenzwertig erschien auch auf dieser Ausschusssitzung wieder das Agieren der bezirklichen Seniorenvertretung.

Die Behauptung der stellvertretenden Vertretungsvorsitzenden Christa Arndt, man hätte mit den Nutzern der Begegnungsstätte über die beabsichtigte Schließung gesprochen, wurde von den anwesenden Senioren lautstark dementiert. Auch ihre Darlegung, dass die Aufgabe der Einrichtung in der Stille Straße nötig sei, um jene in der Weißenseer Charlottenstraße weiter betreiben zu können, war nicht dazu angetan, die Glaubhaftigkeit des Gremiums zu stärken: Als die Seniorenvertretung in der vorangegangenen Ausschusssitzung der Schließung zustimmte, war über einen Erhalt des „Charlottenhofes“ noch nichts bekannt.

Gegen Ende der Sitzung – die Senioren waren längst auf dem Heimweg – fragte der Ausschussvorsitzende und bekennende Schließungsgegner Axel Bielefeldt in einem Anflug von Sarkasmus in die Runde, ob der Ausschuss die Stille Straße nun “sterben lassen” wolle. Da plötzlich regte sich Unmut unter den Ausschussmitgliedern: Diese Ausdrucksweise sei doch höchst unangemessen.
Danach wurde abgestimmt: Neun Bezirksverordnete votierten für ein Ende der Einrichtung, drei waren dagegen und zwei enthielten sich.

 

 

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