So manch ein Bezirksverordneter – vornehmlich der Grünen und der SPD – bekam leuchtende Augen, als Liegenschaftfonds-Geschäftsführer Holger Lippmann auf der Anhörung des BVV-Finanzausschusses Ende Februar durchblicken ließ, dass das Bezirksamtsgelände an der Fröbelstraßen im Falle eines Falles binnen weniger Wochen vom landeseigenen Immobilienverkäufer übernommen werden könnte. Was für Aussichten: Das als Geldfresser verschriene Areal wäre mit einem Schlag aus den Bilanzen verschwunden, der Bezirk vorerst (fast) aller Geldsorgen ledig.
Dumm nur, dass in den Gebäuden Menschen arbeiten, deren Schreibtische man nicht einfach mal kurz auf den
Bahnhofsvorplatz an der Prenzlauer Allee stellen kann. Noch dümmer, dass die meisten bezirklichen Institutionen für die Bürger problemlos erreichbar sein sollten (hier nun bietet sich der Bahnhofsvorplatz zwar geradezu an, scheidet aber dennoch aus anderen, nahe liegenden Gründen aus).
Und dann war da ja noch etwas… – ja, richtig, die Bürgerbeteiligung! Und die der betroffenen Mitarbeiter.
All dies wäre ja möglicherweise zu stemmen, wenn sich die Mehrheit der Bezirksverordneten nicht zusammen mit dem Bezirksamt in den Kopf gesetzt hätte, den Wegzug aus der Fröbelstraße und die damit verbundene Kostenentlastung noch in den aktuell diskutierten Doppelhaushalt einzustellen. Und der soll bekanntlich am kommenden Mittwoch verabschiedet werden.
Über solche und andere Ungereimtheiten macht sich seit einiger Zeit der SPD-Bezirksverordnete Roland Schröder Gedanken, die er dann in Kleine Anfragen an das Bezirksamt einfließen lässt. Zwölf solcher Anfragen hat er
bereits gestellt, und die Antworten lassen zuweilen tief blicken. So wollte Schröder vom Bezirksamt erfahren (siehe Download unten):
„Wurden die Bürgerinnen und Bürger über die mögliche Aufgabe der Angebote der öffentlichen Daseinsvorsorge am Standort Fröbelstraße informiert? (…) Welche Erkenntnisse liegen dem Bezirksamt über die Akzeptanz der Schließung weiter Teile oder der ganzen Fröbelstraße vor?“
Die für das Immobilienmanagement zuständige Bezirksstadträtin Christine Keil ließ ihn daraufhin wissen:
„Da sich das Bezirksamt bzw. das Steuerungsgremium in der Anfangsphase der Prüfung befindet und es sich hierbei um
einen äußerst komplexen und explizit verwaltungsinternen Prüfauftrag handelt, gab und gibt es bisher keinen Anlass, in diesem Stadium eine öffentliche Diskussion zu führen. Aus diesem Grund wurden bislang keine gezielten Informationen an die Bürgerinnen und Bürger gegeben. Die Drucksachen der BVV, auch die Berichterstattung zur Umzugsplanung, sind öffentlich. Es liegen noch keine Erkenntnisse und Reaktionen seitens der Bürgerinnen und Bürger vor.“
Das leuchtet ein: Der gemeine Pankower lässt sich für gewöhnlich zweimal in der Woche sämtliche Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung ins Haus schicken beziehungsweise geht mindestens einmal am Tag mit dem Vorsatz ins Netz: „Na, da wolln wa doch mal kieken, wat unsre Bezirchsvaorneten wieda so für Drucksachen
produßiert ham“ – und dennoch gab es offenbar „noch keine Reaktion seitens der Bürgerinnen und Bürger.“
Wenn das nicht als Zustimmung gewertet werden kann…
Wenn schon nicht die Bürger, werden dann wenigsten die betroffenen Mitarbeiter von Beginn an in das Vorhaben mit einbezogen? Christine Keil:
Eine Information der Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften hat nicht stattgefunden, da es hierzu bisher keine Veranlassung gab bzw. gibt (…). Derzeit gilt noch die beschlossene Umzugsplanung. Erkenntnisse über die Akzeptanz derartiger Maßnahmen liegen somit nicht vor bzw. sind nicht bekannt. Vereinzelt kam es zu Nachfragen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Die wird man doch hoffentlich tüchtig zusammengestaucht haben: „Na hörnse mal, det is ’n äußerst komplexa und explizita verwaltungsinterna Prüfufftrach, der sich noch inne Anfangsphase befindet! Da besteht zur Infomassion übahaupt keene Veranlassung!“
Nachtrag
Die Antwort auf die Kleine Anfrage von Roland Schröder stammt vom 5. März. Heute, nur vier Tage später, kam eine „Gemeinsame Presserklärung“ von SPD und Grünen über den Ticker, in der unter der Überschrift Pankows Einrichtungen gerettet! mitgeteilt wird: „Durch die Übertragung des Verwaltungsstandortes in der Fröbelstraße und weiterer Standorte wird der Bezirk wieder seine finanziellen Handlungsmöglichkeiten zurückgewinnen.“
Nur vier Tage brauchte es von der „Anfangsphase“ eines „äußerst komplexen und explizit verwaltungsinternen Prüfauftrages“, bei der es nun wirklich „keinen Anlass (gab), in diesem Stadium eine öffentliche Diskussion zu führen“, bis zur Schaffung von Tatsachen.
Da sage noch einer, die Pankower Politik bewege sich im Schneckentempo…
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Iris Boss via Facebook
Mrz 11. 2012
Die Presseerkärung der SPD / Die Grünen unter dem Titel „Pankows Einrichtungen gerettet“ ist Hohn, Spott und Respektlosigkeit gegenüber den BürgerInnen und allen, die sich wirklich für den Erhalt der kommunalen Einrichtungen einsetzen! Zuerst werden Kürzungen von 2/3 als Geschenk verkauft, dann die Aufgabe vom Thälmann-Park Areal usw… als „Rettung der Kultur“. Man muß kein Verschwörungstheoretiker sein um zu vermuten, dass es nicht „nur“ Dummheit, sondern Konzept ist, immer breitere Bevölkerungsschichten von Bildung und fernzuhalten – So muss man sich beim Lügen dann noch weniger Mühe geben!