Der Mauerpark soll auf Weddinger Seite um drei Hektar vergrößert werden. Das hat am Freitagabend der Ausschuss für Stadtentwicklung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte auf einer Sondersitzung beschlossen.
Der von SPD, CDU und den Grünen eingebrachte Beschluss (siehe Download unten) empfiehlt der BVV, sich beim Senat dafür einzusetzen, dass das Land Berlin eine drei Hektar große Fläche südlich des Gleimtunnels vom Eigentümer CA Immo (ehemals Vivico) erwirbt, die das Bezirksamt Mitte dann schnellstmöglich als Grünfläche ausweisen soll. Bei einer Umsetzung des Beschlusses wäre die drohende
Rückzahlung von 2,25 Millionen Euro Fördermittel an die Allianz Umweltstiftung vom Tisch. Die Stiftung hatte dem Land Berlin bereits in den 1990er Jahren das Geld mit der Auflage überlassen, den Park auf mindestens zehn Hektar zu erweitern. Die Frist zur Umsetzung der Erweiterung, die mehrmals verlängert wurde, läuft zum Ende des Jahres unwiderruflich aus.
Abkehr vom „Gothe-Plan“
Um die Vorgaben des Beschlusses umzusetzen, soll der bisherige Bebauungsplanentwurf in einen nördlichen und einen südlichen Part geteilt werden. Im größeren südlichen Areal zwischen der Bernauer Straße und dem Gleimtunnel, in dem sich auch das anzukaufende Teilstück befindet, wird nunmehr auf eine Bebauung verzichtet. Im Norden zwischen Gleimstraße und Bahngelände Gesundbrunnen soll eine Bebauung von Teilflächen „denkbar“ sein, „wenn eine Fertigstellung des Mauerparks anderweitig nicht realisiert werden kann.“
Damit weicht der Beschluss von der bisher verfolgten Prämisse ab, Bebauung sowohl im Süden, als auch im Norden des Parks zuzulassen.
Mittes einstiger Stadtrat für Stadtentwicklung Ephraim Gothe – heute Staatssekretär im selben Ressort auf Landesebene – hatte einst den Deal “Baurecht gegen Land” vorgeschlagen: Für die Gewährung von Baurecht im Norden und Süden sowie der Überlassung des auf landeseigenem Boden befindlichen Spielplatzes Bernauer/Ecke Wolliner Straße sollte der Eigentümer der Erweiterungsflächen den Mittelteil des Areals “kostenlos” auf das Land übertragen. Doch nachdem die Gegner jeglicher Bebauung des Parks vernehmbaren
Protest anmeldeten und darüber hinaus eine von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ins Leben gerufene „Bürgerwerkstatt“ die Ergebnisse eines von der Vivico ausgerufenen „Städtebaulichen Wettbewerb“ als zu betonreich kritisierte, ließ der Grundstückseigner verlauten, dass er für weitergehende Kompromisse nicht mehr zur Vergügung steht. Daraufhin ließ Ephraim Gothe den Bebauungsplanentwurf in der Schublade verschwinden.
Fast ein Paradigmenwechsel
Gegenüber dem Gothe-Plan erscheint der jetzige Beschluss fast wie ein Paradigmenwechsel: Nicht nur, dass der Süden nun von jeglicher Wohn- und Geschäftsbebauung ausgeschlossen bleiben soll – auch die Kriterien, die die Bezirksverordneten des Stadtentwicklungsausschusses für
„denkbare“ Wohnbebauung von Teilflächen an der nördlichen Spitze des Park-Erweiterungsgebietes sind so gefasst, dass eine profitable Grundstücksverwertung kaum möglich erscheint: Entwicklung eines „Grünen Bandes“ Richtung Pankow und Humboldthain, Erhalt einer Kaltluftschneise, Berücksichtigung der Belange des Kinderbauernhofs im Moritzhof (Abstand der Bebauung, Zuwegung des Wohnquartiers), Berücksichtigung historischer Elemente.
Das Verfahren soll neben der gesetzlich vorgeschriebenen Bürgerbeteiligung wiederum durch eine „Bürgerwerkstatt“ begleitet werden. Dass es sich dabei lediglich um die Fortsetzung der bisherigen Veranstaltung handeln wird, dürfte
ausgeschlossen sein – schließlich handelt es sich bei dem nun ins Auge gefassten Vorgehen um ein völlig neues Planungsverfahren, so dass sich dann wohl auch die Bürgerbeteiligungsgremien neu konstituieren müssten.
Gewinner des Beschlusses sind auf alle Fälle diejenigen, die sich bisher um den Eckspielplatz an der Wolliner Straße sorgten. Der befindet sich zwar auf landeseigenem Grund und Boden, sollte aber beim gotheschen „Baurecht-gegen-Land“-Handel der Vivico quasi als Draufgabe zum Bebauen übereignet werden. Damit, dass nun eine Bebauung im Südteil eines erweiterten Mauerparks nicht mehr stattfindet, ist auch die Verwertung des Platzes obsolet geworden.
Das steht zwar so nicht im nin verabschiedeten Beschluss, aber Ausschussmitglied Thorsten Reschke (CDU) hatte während der Sitzung den Erhalt des Spielplatzes ausdrücklich hervorgehoben.
Freude dürfte auch bei den Betreibern von „Mauersegler“ und Flohmarkt aufkommen: Nicht nur, dass die Unsicherheiten über den Verbleib der beiden Institutionen nun ein Ende haben – der Ausschuss empfahl darüber hinaus, „das Angebot der Betreiber von Mauersegler und Flohmarkt, ihre Flächen zu erwerben, soll vom Senat wahrgenommen werden. Alternativ soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden, die Flächen per Erbpacht vom Land Berlin zu pachten.“
Dass der Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses die BVV von Mitte bedrf noch der Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung, die Zustimmung gilt jedoch als sicher. Ob auch der Senat den Vorstellungen der Bezirkspolitiker in allen Einzelheiten folgen wird, ist hingegen noch nicht ausgemacht.
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