Zurückweichende Neubauten

Um die mit der Bedingung einer Mauerparkerweiterung auf zehn Hektar verknüpften 2,3 Millionen Euro Fördergelder der Allianz-Umweltstiftung nicht zurückzahlen zu müssen, blieb nur ein schmerzlicher Kompromiss: Der Grundstücks-
eigentümer Vivico erhält auf der gesamten Nord-Süd-Ausdehnung ihres Geländes vom Bezirk Mitte Baurecht, dafür überlässt die Immobilienfirma dem Land Berlin einen zirka 30 Meter breiten Streifen ihres an den Prenzlauer Berger Teil des Mauerparks angrenzenden Geländes. Der Streifen umfasst rund zwei Hektar, so dass der Mauerpark auf zehn Hektar erweitert werden kann.

Sicher ein nicht jeden Mauerparkfreund zufrieden stellender Kompromiss, den Mittes bündnisgrüne Bezirksstadträtin Dorothee Dubrau da präsentiert hallte – aber es war der wirklich einzige Weg, die drohende Rückzahlung von 2,3 Millionen Euro an die Allianz Umweltstiftung zu vermeiden. Alternativlos eben.
Doch unbelehrbare Radikalinskis machten gegen jenen vernunftgeprägten Handel der bündnisgrünen Stadträtin Dorothee Dubrau mobil und verhinderten, dass der bereits in der Bereichs¬entwicklungs¬planung des Bezirkes Mitte festgeschriebene Deal Eingang in den Flächennutzungsplan fand: Rund 1.000 Bürgereinwendungen von Seiten der Radikalen brachten die Sache zum Scheitern.

Das war im Jahr 2002



Alternativlose Alternativen

Erst im Jahr 2009 brachte Dubraus Nachfolger – Ephraim Gothe von der SPD – wieder Bewegung in Angelegenheit. Der von ihm mit der Vivico beschlossene alternativlose Kompromiss vergrößerte den Weddinger Parkstreifen auf 5,2 Hektar – die Vivico sollte zum Ausgleich dafür auf den ihr verbliebenen 4,75 Hektar den Mauerpark an der westlichen und nördlichen Seite mit einer formschönen Blockrandbebauung einfassen dürfen – sechs bis sieben Geschosse hoch.

Und wieder schrien die Krakeeler auf.

Also blieb Stadtrat Gothe nichts anderes übrig, als Anfang 2010 einen neuen, nun aber alternativlosen Vorschlag zu unterbreiten: Nur der Norden und der Süden solle betoniert werden – der Westen hingegen bliebe baukörperlos. Doch sofort waren wieder die Baumterroristen der Parkguerilla zur Stelle und machten Krawall.

Nun hat der Stadtentwicklungsausschuss der BVV Mitte beschlossen, dass nur noch im Norden gebaut werden soll. Das ist, so war auf der Ausschusssitzung zu vernehmen, alternativlos.



Fremde Federn

Es sei ein großer Erfolg, „dass wir hier im Süden des Mauerparks keinerlei Bebauung mehr bekommen. Das ist ein ganz neuer Zustand, von dem wir immer gertäumt haben“, ließ sich Rainer Krüger in der Berliner Abendschau vernehmen – und wurde nicht einmal rot dabei.

Zur Erinnerung: Rainer Krüger war Sprecher der sogenannten „Bürgerwerkstatt“, die – hätte die Vivico beim „Städtebaulichen Wettbewerb“ nur etwas weniger an Bruttogeschossfläche verlangt – bedenkenlos auch die Südbebauung abgenickt hätten.
Und es ist nicht anders als dreist zu nennen, wenn Beton-Krüger und sein Vereins- und Bürgerwerkstattsfreund Alexander Puell in einem ihrer Blogs schreiben: „Die immer lautstark vorgetragene Forderung des Vereins der Stiftung Weltbürgerpark ‚alles oder nichts‘ führte bisher zu lähmenden Stillstand in der Frage der Mauerpark-Fertigstellung.“

Das einzige, was der „Stillstand“ lähmte, war der ungehemmte Fluss von Beton.
Und wenn die geplante Baumasse von „Alternativlos“ zu „Alternativlos“ stetig sank, ist das vor allem jenen zu verdanken, die kompromisslos für einen bebauungsfreien Park eingetreten sind.



Die Betonfraktion: Hart an der Realität vorbei

Doch mit der Realität scheint es dieses seltsame Duo eh nicht so zu haben. “Durch eine Mischkalkulation und den Kauf von etwa 100 Belegungsrechten durch den Senat”, phantasieren sie sich ihren Wunschbeton zurecht, “können auch kostengünstige Wohnungen angeboten werden, die aus dem bisher ungenutzten Fonds ‘Genossenschaftsförderung’ gefördert werden.” Schade nur, dass der Senat in seinem Doppelhaushalt 2012/2013 nicht einen müden Cent für Genossenschaftsförderung eingestellt hat.
Auch die Behauptung, “dem Land Berlin fehlt für einen kompletten Ankauf der Fläche schlichtweg das Geld”, ist kühn – denn Geld ist reichlich vorhanden. So reichlich, dass ein Vielfaches der für den Ankauf des gesamten Erweiterungsgeländes benötigten Summe problemlos in ein Disneyland-Projekt namens “Berliner Stadtschloss” versenkt wird.
Und so, wie es politischer Wille ist, dieses rückwärtsgewandte Monsterprojekt in die Berliner Mitte zu klotzen, so ist es der fehlende politische Wille bei Krügers SPD-Genossen im Senat, wenn man es dort innerhalb von fünfzehn Jahren nicht in die Reihe bekommen hat, läppische zehn Millionen Euro für den Mauerpark zusammenzubekommen.
So oder so: Trotz des BVV-Beschlusses ist noch längst nicht ausgemacht, ob der Beton nun tatsächlich fließen wird. Zu oft schon wurden “alternativlose” Mauerpark-Pläne wieder ad acta gelegt.

Sicher ist aber jetzt schon eines: Sollte es wider Erwarten doch noch irgendwann zu einer betronfreien Mauerparkerweiterung kommen – spätestens fünf Minuten nach Bekanntwerden der Nachricht werden Rainer Krüger und Alexander Puell der Welt überzeugend darlegen, dass sie es waren, die dieses Wunder erreicht haben.

 

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3 Kommentare zu “Zurückweichende Neubauten”

  1. Bin Berlin

    Apr 04. 2012

    In den Besprechungen der BürgerInitiativen hat sich geklärt, wie wichtig der Blick auf die Situation des 30. März 2012 ist: Ein voller Saal (siehe Fotos: http://www.welt-buerger-park.de/index.php?id=4#c168 ) vertritt den WeltBürgerPark Gedanken – der BVV-Ausschuss aber übernimmt praktisch 1:1 die Vorlage der Mitte-Grünen, die wiederum von der Interessengruppe „Freunde des Mauerparks“ inspiriert waren: die erwähnten FdM-Herren Krüger und Puell strahlten wie die Honigkuchenpferde. Wenn es ein Gegenteil von Demokratie als Bild gibt – da war es: den Leuten schnürte es regelrecht die Kehle zu, mucksmäuschenstill war es in diesem Moment.

    In der Intensität dieser Szene waltet aber ein Pädagogikum, das auch die noch anwesenden Kinder erleben konnten: Vertraut Euren von Lobby-Interessen gelenkten Repräsentanten nicht: NIE & NIMMER!

    Nehmt die Sache, die Euch angeht, selbst in die Hand!

    Seid nicht trotz, sondern WEGEN dieser herben Erfahrung dabei wenn der Mauerpark am 19.April endgültig, wie schon seit Jahren intransparent in den Hinterzimmern der Parteien ausgekungelt, flankiert auch durch die neuen Reglementierungen, unter Cliquen aufgeteilt werden soll.

    Und mit dem 20.April ergeht die Aufforderung an ALLE: WERDET WELT-BÜRGER-PARK-SCHÜTZER: verteidigt den Mauerpark gegen das rot-grüne BIO-Beton-Kartell! Macht die geplanten Baufelder zu einer Pilgerstätte des zivilen Widerstands gegen das Beton-Projekt: Vielleicht werden wir ja erfolgreicher als die FreundInnen in Stuttgart21, die sich mit uns solidarisieren https://twitter.com/#!/unarossa/status/186064462783066112
    http://bin-berlin.org/wp/?p=1326 : confronting comfort: ¡ OCCUPY MAUERPARK ! – dieses Wort wird dann auch im Guggenheim-BMW-lab erschallen, falls wir das zum ersten Forum unseres politischen Widerstands gegen die Mauerpark-Zerstörung erwählen werden – eine Diskussion die noch nicht beendet ist.

    Unterzeichnet die MAUERPARK-PETITION: http://www.openpetition.de/petition/online/gegen-die-bebauung-der-erweiterungsflaechen-des-mauerparks-10ha-gruenflaeche-mehr-jetzt

    Infos zum 19.April 2012:
    http://www.welt-buerger-park.de/index.php?id=17#c170
    Vertiefendes zur Beschlusslage:
    http://www.neues-deutschland.de/artikel/223073.sieg-des-privaten.html Sieg des Privaten
    http://www.neues-deutschland.de/artikel/223080.ein-park-als-beute.html Ein Park als Beute – Stefan Otto lehnt die Pläne für den Mauerpark ab „Niemand sollte sich darauf verlassen, dass es beim charmanten sonntäglichen Trödel bleibt.“
    und noch viel mehr Presse: http://www.welt-buerger-park.de/index.php?id=7

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  2. Annette Ochs

    Apr 06. 2012

    Hallo, warum ist denn der Park überhaupt verkauft worden? Warum gilt nicht der ursprüngliche Flächennutzungsplan von 1994?
    http://youtu.be/xfxMtTWM_7Y
    Es gibt so viele freie Flächen und Wohnungen im Wedding, warum werden die nicht edel-öko-sozial aufgemöbelt? Das würde dort vielleicht gut tun…
    Warum werden die Kosten für kulturelles Umfeld und Konflikt-Unterdrückung auf die Steuerzahler/Alle geschoben und den Profit bekommt nur eine Firma?
    Kann und soll Grund und Boden käuflich sein?
    Sind nicht die, die ihre Grundsätze vergessen schon im Bockshorn? – Wie kann sowas vor zukünftigen Generationen gerechtfertigt werden? Vor denen, die es nur in Würde geben wird, wenn die alten, von Geld und Investoren bestimmten demütigenden Grundunterscheidungen Geschichte werden. Es ist eine historische Stunde für kreative Weiter-Entwicklungen! Das haben in und nach dem BVV-Ausschuss erstaunlicherweise sogar die Herren von der CDU begriffen und halten eine Bebauung in ihrem Positionspapier nur für „möglich“ – sie würden es unterstützen, wenn doch noch ein echter Runder-Tisch-Prozess entstünde. Dagegen fühle ich mich von all denen, die ich früher gewählt habe, nicht repräsentiert und hintergangen. Von den Piraten hoffe ich nächstens zu diesemhema auf viel, viel mehr!!!

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