…man wird ja nicht jünger. Und dass es mit den Jahren auch mit dem Gedächtnis nicht besser wird, ist eine Binse. Also halte ich mir kleine Hilfsmittel bereit, die das Leiden lindern.
Eines davon ist das Mitschreiben bei der Telefonrecherche. Das geht recht flott von der Hand und kommt im Ergebnis einem wörtlichen Protokoll sehr nahe.
Der unübersehbare Vorteil jener Angewohnheit ist es, dass man dann, wenn es ans Schreiben geht, nicht erst alle Einzelheiten eines Gespräches wieder aus den hintersten Gehirnecken hervorkramen muss.
Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Nebeneffekt: Ich bin stets in der Lage, auch im Nachhinein zu überprüfen, ob mir bei der Wiedergabe von Gesprächen Fehler unterlaufen sind.
Das ist gerade bei der Unterhaltung mit Politikern hilfreich, die zuweilen über ein besonders desolates Gedächtnis zu verfügen scheinen und manchmal völlig andere Erinnerungen an den Inhalt einer Unterredung haben, als man selbst.
Ein besonders krasser Fall war da übrigens ein Grünen-Politiker aus dem Bezirk Mitte: Der konnte sich nur 24 Stunden nach dem Geschehen nicht einmal mehr daran erinnern, mit mir überhaupt telefoniert zu haben. Ein Winken mit dem Einzelverbindungsnachweis, den ich mir noch immer von meinem Telekommunikationsanbieter gegen einen kleinen Aufpreis zusenden lasse (auch so eine Marotte von mir), konnte seinem Erinnerungsvermögen dann ein wenig aufhelfen.
Ganz so schlimm scheint es bei Ihnen ja noch nicht zu sein. Was vielleicht daran liegt, dass Sie ja nach wie vor nur ein Politiker in spe sind.
In dem Zusammenhang: Ich hoffe doch, dass Ihr durchaus verständlicher Ärger über das „unsolidarische Vorgehen“ Ihrer Genossin Sandra Scheeres, das laut Protokoll einer Abteilungssitzung der SPD-Abteilung 15 darin bestand, dass Genossin Scheeres nach der Ernennung zur Senatorin nicht auf ihr Abgeordnetenmandat verzichten mochte und es Ihnen daher bisher verwehrt blieb, als „Nachrücker“ ins Abgeordnetenhaus einzuziehen, sich inzwischen ein wenig gelegt hat…
Doch zurück zu unserem Telefonat.
Trotz intensiven Studiums meiner Aufzeichnung konnte ich nichts von dem entdecken, was Sie nun der Welt (und mir) mitzuteilen haben. Weder innerhalb, noch außerhalb irgendwelcher Zusammenhänge.
Im Gegenteil.
Am Ende der Notizen ist zu lesen:
I (steht für „Icke“) – Nochmal zusammenfassend: Möckernkiez und Selbstbau hatten 2010 vor dem Städtebaulichen über Zusammengehen auf Nordfläche nachgedacht – nach Präsentation aber wg zu hoher Bebauungsdichte Abstand genommen. Seitdem in dieser Richtung keine Aktivitäten mehr. Korrekt? —
Ho (steht für „Höhmann“) – Ja.
Ich denke, wir gehen die paar Seiten mal gemeinsam durch – und Sie zeigen mir dann, an welcher Stelle ich fehl gegangen bin.
Oder besser noch: Da Sie mir ja nun in aller Öffentlichkeit fehlerhaftes Zitieren unterstellen – und dies noch mit dem unschönen Zusatz „absichtsvoll“ – sollten wir auch all jenen Lesern, die nun Ihrer Vorwürfe ansichtig wurden, die Gelegenheit einräumen, sich selbst ein Urteil zu bilden. Also: Geben Sie mir Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung – und ich werde das Notat unverzüglich online stellen.
Wenn ich nun in der Tat ein wenig verärgert bin, dann nicht wegen Ihrer Anwürfe. Weiß Gott nicht, nein. Dazu bin ich zu lange journalistisch unterwegs, als dass mich all die kleinen Nettigkeiten, die man so von Seiten dieser oder jener mit Politik befassten Menschen so erfährt, noch irgendwie tiefer berühren könnten. Das kommt und geht.
Es ist der immense Nachrichtenwert Ihres Kommentars, der meinen Adrenalinspiegel steigen lässt.
„Ja, hätte dieser Höhmann“, dachte ich, nachdem ich mit Mühe meinen ob des Staunens über den Inhalt Ihrer Mitteilung weit heruntergeklappten Unterkiefer wieder notdürftig in seine Ausgangsposition verbracht hatte, „hätte dieser Höhmann mir all dies nicht schon am Telefon erzählen können?“ Mein Gott, das wäre doch d i e Story geworden: Eine „Initiative für ein genossenschaftliches Wohnquartier am Mauerpark“ mit den Führungsgenossen Severin Höhmann (SPD) und Ulrich Haneke (SPD), von der nach dem Herbst 2010 kein Uneingeweihter mehr etwas vernommen hatte (selbst das sonst allwissende Internet blieb stumm), kungelt klandestin mit „politisch Verantwortlichen in Mitte, Pankow (Matthias Köhne?, Alexander Götz?, Christian Hanke?, Ephraim Gothe? – alle SPD) und auf Landesebene“ (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung? – SPD-geführt) – und alle zusammen sind sich „im März 2012“ soweit einig, dass die geheime „Initiative“ eine nirgendwo veröffentlichte „Absichtserklärung zur Gründung einer neuen Wohnungsbaugenossenschaft am Mauerpark“ abgeben kann.
Was für eine Story!
Schon wurden mir als geborenem Berliner, der noch älter ist, als er ohnehin schon aussieht, die Bilder aus den beginnenden 1980er Jahren wieder präsent: Garski, Riebschläger…, der Berliner „SPD-Baufilz“ wird ein eigenständiger Begriff, Stobbes Rücktritt… – na, Sie wissen schon.
Und nun erklärte sich auch, warum die Weltbürgerparkstiftung, die bekanntlich für einen bebauungsfreien Mauerpark eintritt, von den „politisch Verantwortlichen in Mitte, Pankow“ (Matthias Köhne, Alexander Götz, Christian Hanke, Ephraim Gothe – alle SPD) „und auf Landesebene“ (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung – SPD-geführt) so schofelig behandelt, oft ignoriert, zuweilen lächerlich gemacht und ihr jede tatsächliche Unterstützung versagt wurde.
Auch schien sich nun der Schleier von der Frage zu heben, warum die von der Senatsveraltung für Stadtentwicklung (SPD-geführt) erfundene , von Mittes seinerzeitigem Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) forcierte und ihrem Sprecher Rainer Krüger (SPD) nach außen vertretene „Bürgerwerkstatt“ gerade jene Bebauungsdichte favorisierte, die auch von Ihrer, von genossenschaftlicher Seite wohl gerade noch zu schultern ist…
Ach, lieber Severin Höhmann, warum haben Sie nicht schon Montag am Telefon…. – nur mir, ganz exklusiv…
Ein paar Recherchen zur Verifizierung, danach bei den Delinquenten scharf nachgefragt („Bürgermeister! Hände hoch und Hosen runter! Leugnen ist zwecklos!“) und das Ergebnis schließlich der Öffentlichkeit präsentiert.
Und der „Spiegel“ hätte am kommenden Montag geschrieben: „Wie die Prenzlberger Stimme berichtet…“
Stopp! Halt! Nein…nicht doch…
Vielleicht stimmt das ja alles gar nicht?
Was, wenn Ihr Politiker-in-spe-Gedächtnis Ihnen wieder einen Streich gespielt hat? Was, wenn die von Ihnen in Ihrem Posting behaupteten Kungeleien von SPD-Baugenossen mit „politisch Verantwortlichen in Mitte, Pankow (Matthias Köhne?, Alexander Götz?, Christian Hanke?, Ephraim Gothe? – alle SPD) und auf Landesebene“ (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung? – SPD-geführt) so gar nicht stattgefunden haben? Wenn also ihre diesbezüglichen Darlegungen einen ähnlichen Wahrheitsgehalt besitzen, wie Ihr Anwurf des „absichtsvollen“ unkorrekten Zitierens?
Dann, lieber Severin Höhmann, hätten Sie all jene oben Genannten in ein Licht gerückt, in das sie nicht gehören. Dann hätten Sie ohne tatsächlichen Hintergrund den Anschein erweckt, die SPD sei (bau-)verfilzt bis auf die Knochen.
Dann, verehrter Herr Höhmann, wüsste man überhaupt nicht mehr, was man Ihnen noch glauben soll.
Und Frau Scheeres wäre nachträglich eine dicke Anerkennung auszusprechen.
Ob so oder so: Mich deucht, Sie befinden sich nunmehr in einer klassischen Kurt-Krömer-Situation. Wenn Krömer gerade noch im letzten Augenblick bemerkt, dass er eben dabei ist, sich um Kopf und Kragen zu reden, folgt bei ihm nach einem kurzen Innehalten stets die Frage: „Und wie komm‘ ich da jetzt wieder raus?“
Mit besten Grüßen nach nebenan
Olaf Kampmann
Weitere Artikel zum Thema:
Carsten Spallek: B-Plan Mauerpark wird geteilt, Gleimtunnel wird angesägt
Mauerpark: Will Groth dem Gleimtunnel an den Kragen?
Groth rodet – Aufregung am Mauerpark
Mauerpark: Unruhe wegen Informationspanne
Mauerpark: Mehrsprachiger Protest gegen Nordbebauung
Mauerpark: Spalleks Wünsche überfordern Polizei
Mauerpark: Mitte bittet Pankow um Stellungnahme zur Bebauung
„Bürgerwerkstatt Mauerpark “ will gegen Nord-Bebauung mobilisieren
Mauerpark: Wiederauferstehung einer Komatösen
SPD Pankow will grenzenlosen Mauerpark
Mauerpark: Groth-Gruppe kaufte Nordgelände bereits im Juli 2012
Mauerpark-Filet an CDU-Großspender
Mauerpark: Geldgeschenk an Immobilienhändler feierlich begangen
Mauerpark-Deal verabschiedet – Protest von Links und Grün
Mauerparkvertrag: Senat will Immobilienfirma mit Millionen füttern
Mauerparkerweiterung: Der Vertragsentwurf
Lenin, die Revolution und die BVV Mitte
Mauerpark: Geldgeschenk und Rampenbau
Christian Gaebler: Mauerpark – Neuer Anlauf für eine Mauerparkerweiterung
BVV Mitte Mauerpark: Drei Stunden bis zur Vernunft
Mauerpark: Beschluss des Bezirksamtes Mitte nun öffentlich
Mauerpark: Beschluss des Bezirksamtes Mitte nun öffentlich
Mauernde Park-Betonierer
Stephan Lenz: „Warum Berlin Orte wie den Mauerpark braucht und warum eine Bebauung deshalb vermieden werden sollte“
Michail Nelken: „Absehbar! – Rot-Schwarzer Betoncoup am Mauerpark“
Heiner Funken: „Schlimmer gehts (n)immer!“
Klaus Mindrup: „Adieu grünes Band“
Mauerparkbebauung: Die Mär von der Sozialverträglichkeit
Zurückweichende Neubauten
Mauerpark: Desinteressierter Stadtrat und vielstimmiger Protest
Mauerpark: Drei Hektar Zuwachs
Mauerpark:Pankows SPD-Chef für Fortführung der “Bürgerwerkstatt”
Mauerpark: Gelder für die „Bürgerwerkstatt“ bleiben gesperrt
Mauerpark: Polizei räumt Wahlkampfstand der Grünen
„Bürgerwerkstatt“-Gelder bleiben weiter gesperrt
Mauerpark: Koalitionskrise wegen blockierter „Bürgerwerkstatt“- Finanzierung?
Abschalten!
Pankows SPD für Mauerpark- “Bürgerwerkstatt”
„Start mit Stottern
„Weltbürgerpark“ im Mauerpark
„Welt-Bürger-Park“ stellt Stiftungsräte vor
Mauerpark: Mittes Grüne pfeifen Andrea Fischer zurück
Mauerpark: Auch Mittes Grüne nun gegen Bebauung
Mauerpark: Müllbeseitigung ab Mai
Problemzone Mauerpark
Fotografierte Fotografen
Mauerpark: Grillverbot zur Walpurgisnacht
Polizeieinsatz im Mauerpark
Trödeln im Mauerpark
Aprilsommerabend im Mauerpark
Hyperdemokrat begehrt Zensur
“Wolle mer se reinlasse?”