Endlich: SPD findet sich selbst peinlich

ZwischenrufDas hat aber auch gedauert!
Man hätte ja schon fast glauben mögen, dieser Partei ist rein gar nichts peinlich.
Eine Stadtentwicklungssenatorin nicht, die fast über ein Jahrzehnt lang eine Wohnungspolitik zelebrierte, die nicht zuletzt in Prenzlauer Berg dazu führte, dass zehntausende alteingesessene Einwohner aus ihrem angestammten Lebensumfeld „verdrängt“ wurden, und die sich noch vor Jahresfrist nicht entblödete und von einem Wohnungs-
überschuss halluzinierte
.

Und der Berliner Landeswahlkampf, der zuvorderst aus zwei sinnfreien Worten („Berlin verstehen“) und einem Teddy.. – pardon! – Wowibärchen werfenden Spitzenkandidaten bestand, brachte bloß ein Fremd-, nicht aber ein Selbstschämen der Genossen hervor.

Auch ein leibhaftiger Landesparteivorsitzender, der eben so trotzig wie offen bekennt, dass er das Wahlrecht für Siebzehn- und Achtzehnjährige nur deshalb hintertrieben und verhindert hat, weil es Grund zu der Annahme gab, dass die jungen Menschen mehrheiltlich nicht SPD wählen würden und dies der Partei den Wahlsieg gekostet hätte, liegt offenbar noch weit unter der sozialdemokratischen Peinlichkeitsschwelle. Denn reagiert hat auf diese Ungeheurlichkeit bis heute zumindest öffentlich noch kein einziges SPD-Mitglied.

Keine Scheu, sich bis aufs Unterhemd lächerlich zu machen, hatte Pankows Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD), der selbst dann noch über eine „Ideenschmiede zur Zukunft von Großstädten“ schwadronierte, als der Finanzier jenes Wanderbungalows längst aller Welt erklärt hatte, dass der BMW-Guggenheim-Zirkus nur die Imagekampagne des zahlenden Automobilkonzerns sei.

Ob – in SPD-Verantwortung abgeschlossene – S-Bahn-Verträge, ob Flughafendesaster: Peinlichkeit schien stets ein Empfinden zu sein, gegen das Sozialdemokraten immun waren.


Nur zum Schein öffentlich

Doch nun scheint sich ein Wandel der Parteigefühle anzubahnen. Als für heute (Dienstag) eine SPD-Regionalkonferenz im BVV-Saal an der Fröbelstraße einberufen wurde, auf der sich die Konkurrenten um den Berliner Parteivorsitz, Michael Müller und Jan Stöß, den Mitgliedern der SPD-Kreisverbände Pankow, Reinickendorf und Lichtenberg vorstellten, musste die Medien vor der Tür bleiben. Dies sei, so erklärte der Geschäftsführer der Pankower SPD Jens-Peter Franke der Prenzlberger Stimme, ein Beschluss des Landesvorstandes.

Dabei war die Tagung auf den Internetseiten der Partei mehrfach ausdrücklich als öffentliche Veranstaltung (siehe Screenshot rechts) deklariert worden. Doch offensichtlich hatte der Vorstand der Berliner SPD vermutet, dass das, was dort zur Sprache kommen könnte, selbst die Peinlichlickeitsgrenze gestandener Sozialdemokraten bei weitem übersteigen würde – und hatte deshalb die Notbremse gezogen.

Es war nicht das erste Mal, dass die SPD Parteiversammlungen als öffentlich deklarierte, um sie dann, wenn Öffentlichkeit tatsächlich erschien, flugs in interne Veranstaltungen umzuwidmen.
So hatte die Pankower SPD-Abteilung 12 (Helmholtzplatz) im Oktober vergangenen Jahres eine als „öffentlich“ gekennzeichnete Mitgliederversammlung ihres Ortsvereins flugs in ein nur „parteiöffentliches“ Treffen umgewandelt, als die Prenzlerberger Stimme im Lokal stand. Die Begründung war niedlich: Man wähle gerade einen Vorsitzenden, da möchte man doch lieber unter sich bleiben. Der urdemokratischste Vorgang überhaupt – eine Wahl – war den Genossen offenbar so peinlich, dass deren Ablauf kein Pareiferner zu Gesicht bekommen sollte.

Kurze Zeit später meldete die Prenzlberger Stimme bei der Pankower BVV-Fraktion der SPD einen Besuch an – doch deren Geschäftsführer Ronald Rüdiger teilte mit, dass die bis dahin vorhandene Kennzeichnung der Fraktionssitzungen als „öffentlich“ nur ein Versehen war.

Die SPD scheint im Netz etwas vorzugaukeln, was tatsächlich wohl nur virtuell vorhanden ist: Offenheit und Transparenz. So lange keiner die Angebote zur öffentlichen Beobachtung wahrnimmt, ist alles in Ordnung – aber wehe, wenn doch.

Die Partei tut nur so, als ob.

 

 



7 Kommentare zu “Endlich: SPD findet sich selbst peinlich”

  1. Merkur

    Mai 31. 2012

    Man man man ODK!

    Wat ham’se denn mit der SPD? Wollten die Ihne auf Ihren Parteifeiern kein Freibier spendieren?

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  2. Mike Szidat

    Jun 02. 2012

    Ojeh,

    Fraktionssitzungen sind auf jeder Ebene grundsätzlich nicht öffentlich !
    Das sollte die Prenzelberger Stimme eigentlich wissen…

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  3. von ODK

    Jun 02. 2012

    @Mike Szidat
    Das stimmt so nicht: Die BVV-Fraktionssitzungen der Grünen und der Piraten sind zum Beispiel öffentlich. Und wenn die SPD seinerzeit auf ihrer Webseites ebenfalls die Öffentlichkeit ihrer Fraktionssitzungen angezeigt hatte, mag man mir nachsehen, dass ich dies für bare Münze nahm und dachte, dass nun auch die sozialdemokratische BVV-Fraktion diesen Schritt zur einer größeren Transparenz gegangen sei.

    Mit besten Grüßen nach nebenan

    ODK

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  4. Jens Peter Franke

    Jun 03. 2012

    Der SPD-Landesverband Berlin hat vier Regionalkonferenzen zur Diskussion über die Kandidaturen zum Landesvorsitz in Berlin veranstaltet. Für die drei SPD-Kreise Lichtenberg, Reinickendorf und Pankow war der Veranstaltungsort Pankow. Vor der ersten der vier Regionalkonferenzen hatte der Veranstalter über seinen Presseverteiler und auf seiner Webseite darauf hingewiesen, dass diese „unter Ausschluss der Presse statt(finden) und () nur für SPD-Mitglieder zugänglich (sind)“: http://bit.ly/K1SXCk

    Dass bei der händischen Übertragung des Termins in den Terminplaner der Webseite der SPD Pankow an dieser Stelle versäumt wurde, „parteiöffentliche Veranstaltung“ anzuhaken, ist nachvollziehbarerweise ärgerlich. Gleichwohl waren die Berliner Medien informiert, dass die Diskussionsveranstaltung der Regionalkonferenz parteiintern ist. Ein anwesender Journalist des RBB-Hörfunks beispielsweise konzentrierte sich deshalb auf Hintergrundgespräche und Interviews im Foyer, unter anderem mit den Initiatoren des Mitgliederbegehrens.

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    • von ODK

      Jun 04. 2012

      Lieber Jens-Peter Franke,

      ich weiß ja nicht, ob die auf Prenzlauer Berg – und zuweilen ganz Pankow – ausgerichtete ‚Prenzlberger Stimme‘ zu den „Berliner Medien“ zählt. Ich jedenfalls wurde im Vorfeld der Veranstaltung keineswegs über die Nichtöffentlichkeit informiert. Und es sei mal dahingestellt, ob der rbb-Kollege tatsächlich mit dem Wissen der Mediensperre in die Fröbelstraße gekommen ist oder ob er bloß aus der Not eine Tugend machte.

      Fakt ist: Auf der Pankower SPD-Webseite war nicht nur e i n Hinweis auf die Öffentlichkeit des Termins zu finden, sondern es waren gleich z w e i unterschiedliche aus zwei verschiedenen Quellen gespeiste (im Artikel auch verlinkte) Meldungen darüber zu lesen.
      Und wenn man auf die Seiten der Landes-SPD geht, was findet man dort? Erstmal keinen Hinweis auf die nicht erwünschte Medien – dafür aber ein Anmeldeformular, mit einem Extrakästchen, bei dessen Betätigung man sich auch als Pressevertreter vorab einen Sitzplatz reservieren lassen kann (http://www.spd-berlin.de/mitgliederforum-nord ).
      Auch im Einladungsschreiben, das die Parteimitglieder erhalten haben (welches mir vorliegt – also: das Schreiben, nicht das Parteimitglied), ist mitnichten von einer internen Veranstaltung die Rede, bei der der Lebenspartner, die Ehefrau oder der SPD-interessierte parteilose Nachbar bitteschön zu Hause bleiben möge und im Weigerungsfalle an der Garderobe im Foyer abgegeben werden muss.

      Dass sich dann irgendwo doch noch ein gegenläufiger Hinweis finden könnte… – vielleicht kriegt es die SPD ja irgendwann mal in die Reihe, wenigstens in solchen Fragen mit nur einer einzigen Stimme zu sprechen…

      Mit besten Grüßen nach nebenan

      Olag Kampmann

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