„Protokollstrecke“ ist auch ein so ein Wort.
Als Ost-Berlin noch DDR-Haupstadt war, umfasste die Protokollstrecke jene Straßen, die die SED-Politbüromitglieder durchfuhren, wenn sie aus ihrer streng abgeschirmte „Waldsiedlung“ bei Wandlitz zu ihrem Tagwerk nach Berlin-Mitte gefahren wurden. Oder von dort nach Wandlitz zurück.
Auf der Protokollstrecke zu fahren hatte Vorteile: Sie war weitgehend schlaglochfrei. Sie zu queren konnte hingegen sehr viel Zeit kosten: Die Ampeln hielten ihr Grün in Richtung Wandlitz zuweilen über zwanzig Minuten durch.
Der Weg der Wandlitzpendler führte auch über die Greifswalder Straße. Doch die war in dieser Funktion nur die Nachfolgerin der Schönhauser Allee.
Denn als der DDR-Präsident noch im Schloss Schönhausen residierte und die SED-Oberen im „Städtchen“ in Niederschönhausen wohnten – und daher von Konrad Adenauer folgerichtig als „die Rejierenden in Pankoff“ bezeichnent wurden – fuhren die Staats- und Parteikarossen die Schönhauser entlang. Mit der Adelung dieser Magistrale zur Protokollstrecke nahm die DDR eine alte Tradition wieder auf.
Der nachmalige Amtssitz des DDR-Staatsoberhauptes diente nämlich mehr als 200 Jahre zuvor Königin Elisabeth Christine von Preußen, der von ihrem Gatten ungeliebten und deshalb von sich ferngehaltenen Ehefrau des damals noch recht jungen Alten Fritz als Residenz. Und wann immer ein Gesandter aus fernen Landen bei Friedrich Zwo in Potsdam oder Berlin weilte, musste er – des Protokolls wegen – auch dessen Gemahlin seine Aufwartung machen. Die Fahrt zu ihr führte über den „Schönhauser Weg“.
FREITAG-Protokollchef Dirk Grabowski war in der seit 1841 „Allee“ geheißenen Schönhauser unterwegs. Nach Niederschönhausen rasende Politbürokraten oder königlicher Gesandte hatte er allerdings nicht vor die Linse bekommen.
© Fotos: Dirk Grabowski