Traubenkirschen-Ersatz lässt Baumscheiben leer bleiben

Lange war es ruhig um den wohl konfliktträchtigsten Straßenbaum von Prenzlauer Berg. Das letzte mal war die Traubenkirsche im August 2011 öffentliches Thema. Da scheiterten die SPD-Fraktion und der damals auch für Umwelt zuständige Bezirksbürgermeister Matthias Köhne im entsprechenden Fachausschuss mit dem Versuch, mit einem entsprechenden Beschluss die aufwändige Begutachtung der Bäume (Kosten bis dahin: 200.000 Euro) einzustellen und die so freiwerdenden Mittel für Neupflanzungen zu verwenden.
Die Standfestigkeit der Bäume sollte dann nur noch durch „geeignete Schnittmaßnahmen“ sichergestellt werden.

Ausgerechnet an jenem Tag, an dem der „BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ seinen aktuellen Baumreport veröffentlichte, erfolgte die Ankündigung von Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner, ohne jeden Verzug 114 Traubenkirschen fällen zu lassen.

Genauso schnell, wie die Bekanntmachungen über die Fällungen an den Haustüren festgepinnt waren, so schnell hatten beispielsweise Anwohner der Meyerheimstraße reagiert und neben den Amtsschreiben eine Unterschriftenliste daneben befestigt, mit der die gegen die Abholzung protestiert werden soll.

Die Listen waren binnen kurzer Zeit gut gefüllt.

Mindestens ebenso überraschend wie die Abholzungs-Ankündigung, ist der Hinweis auf die dem Kahlschlag folgen sollenden Neupflanzungen.
Im Pankower Haushalt ist dafür kein müder Cent eingestellt. Und der nebulöse Hinweis auf irgendwelche „Sondergelder“ wirkt nicht unbedingt vertrauenerweckend. Woher also sollten diese ominösen „Sondergelder“ kommen?

Die Lösung des Zahlenrätsels befindet sich beim Senat.
 

Klammheimliche „Umwidmung“

In der rotschwarzen Koalitionsvereinbarung ist festgeschrieben, dass die Landesregierung die Pflanzung von 10.000 Bäumen organisieren will. Zusätzlich zu den regulären Neupflanzungen in den Bezirken. Um den Schwund der vergangenen Jahre auszugleichen und den Bestand an Straßenbäumen wieder zu erhöhen. Und nicht etwa um die Fällung ungeliebter Bäume zu forcieren.

Doch genau aus diesem Programm, das der Senat in der kommenden Woche offiziell vorstellen wird, bedient sich das Bezirksamt nun, um die Traubenkirschen endlich loszuwerden.

„Wir haben davon erst vor ein paar Tagen erfahren“, erklärte Daniela Augenstein von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt gegenüber der Prenzlberger Stimme. Dass das Pankower Vorgehen den Zweck des des 10.000-Bäume-Programms unterläuft, mag sie nicht bestreiten. Aber: „Über den Einsatz der Mittel entscheiden die Bezirke.“

Weil mit dem 10.000-Bäume-Programm nicht nur die Pflanzung, sondern für ein paar Jahre auch die Pflege der Setzlinge finanziert wird, erhofft sich Bezirksstadtrat Kirchner offenbar auch einen finanziellen Gewinn für den Bezirk: Seine Abtelung müste dann für genau 114 Bäume weniger aufkommen.

Die Baumscheiben aber, für die das Senatsprogramm eigentlich gedacht war, werden in Prenzlauer Berg wohl auch künftig lee bleiben.

 

 

Dokumentation Pressemitteilung

114 Traubenkirschen müssen ab der 44. KW in Prenzlauer Berg gefällt werden

Pressemitteilung
Berlin, den 25.10.2012

114 Traubenkirschen müssen ab der nächsten Woche in Prenzlauer Berg gefällt werden. Die in den 1980er Jahren gepflanzten Straßenbäume leiden unter Wurzelfäule und sind in ihrer Standsicherheit akut gefährdet. Bereits 2008 hatten unabhängige Gutachter für das Bezirksamt Pankow ca. 800 dieser Bäume untersucht und auf die gravierenden Schäden hingewiesen. Ein kontinuierlicher Rückschnitt der Krone als lebenserhaltende Maßnahme reicht bei den betroffenen Bäumen nun nicht mehr aus.
Eine Informationsveranstaltung für Anwohnerinnen und Anwohner dazu findet am Dienstag, dem 30. Oktober 2012 um 18 Uhr im BVV-Saal, Fröbelstr. 17, 10405 Berlin, Haus 7, statt. Zudem weisen entsprechende Aushänge in den Wohnhäusern der betreffenden Straßen auf die Fällungen hin. Neun Bäume müssen in der Storkower-, Lychener Straße und Meyerheimstraße gefällt werden, jeweils sieben in der Gudvanger Str. und Am Falkplatz. Weitere sechs Traubenkirchen sind in der Buchholzer-, Greifenhagener Straße und Korsörer Straße betroffen. „Wir bedauern diese Maßnahme und möchten die Bewohnerinnen und Bewohner umfassend darüber informieren, denn der sichtbare Zustand der Bäume gibt keinen Hinweis auf die Standsicherheit der Traubenkirschen. Selbst äußerlich völlig vital wirkende Bäume können eine Gefahr darstellen und die Faulstellen in der Wurzel sind auch oft nicht im Sägeschnitt sichtbar“, erklärt Jens-Holger Kirchner (Bü90/Grüne), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung. „Das Bezirksamt hat die Maßnahme seinerzeit mit den Naturschutzverbänden und Bürgerinitiativen abgestimmt. Die gute Nachricht heute, über Sondergelder ist die Finanzierung vollständiger Ersatzpflanzungen im Herbst/Winter 2012/2013 sicher gestellt“, so der Bezirksstadtrat weiter.


 

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Weitere Artikel zum Thema:

Traubenkirschen: Keine Mehrheit für Köhne-Vorschlag

Traubenkirsche: Keine weiteren Gutachten

 

 

 

 



6 Kommentare zu “Traubenkirschen-Ersatz lässt Baumscheiben leer bleiben”

  1. Widerspruch! Der Artikel impliziert, dass nicht notwendige Fällungen der Traubenkirschen durchgeführt werden und damit eigentlich geplante Neupflanzungen ausbleiben. Seit 2007 engagiert sich die B.I.R.D.S. http://www.bremer-hoehe.de/index.php?&path=61&main=41 für Straßenbäume. Es gibt eine Übereinkunft mit den Bürgerinitiativen und dem Bezirksamt im AK Traubenkirsche: Gefahrenbäume werden gefällt und anschließend werden schnellstmöglich Ersatzpflanzungen durchgeführt. Als Grundlage für die Neupflanzungen dient die Baumleitplanung. Für diese Ersatzpflanzungen gab es bisher kein Geld, leider. Nun ist Geld da. Umso besser, dass die ohnehin als Besen zurück geschnittenen und an Wurzelstockfäule erkrankten Traubenkirschen nun durch neue Bäume ersetzt werden. Das ist die bessere Lösung als alle zwei Jahre Geld für Gutachten und/oder Kronenrückschnitte auszugeben.

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    • von ODK

      Okt 30. 2012

      AN WELCHER STELLE DES ARTIKRELS steht eigentlich etwas über eine fehlende Notwenigkeit der Fällungen? Wie bitte? – Ah ja…

      SACHLICH FALSCH ist allerdings die Herstellung eines Zusammenhanges von „Geld ausgeben für Gutachten“ und den jetzt geplanten Ersatzpflanzungen. Würde man das für Gutachten vorgesehene Geld tatsächlich für die Ersatzpflanzungen einsetzen, müsste man nicht die Mittel aus dem 10.000-Bäume-Programm dafür heranziehen – und Prenzlauer Berg hätte 114 leere Baumscheiben weniger.

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  2. Auf dem Foto ganz oben ist eine Vogelkirsche (prunus avium) abgebildet, diese bildet wunderschöne Kirschblüten. Die Traubenkirsche (prunus padus) http://static1.jardiland.com/back-office/photos/100-prunus-padus.jpg steht rechts daneben, ihre Blüten haben die Form eine Traube. Hier ein “Versagensbaum” in Buchholzer Straße vom April 2011: https://picasaweb.google.com/106397533941760799259/20110408BIRDSBuchholzerStraE8UmgesturzteTraubenkirsche?authkey=Gv1sRgCOXLyrr83J-WnwE&feat=directlink

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  3. Baumabbildungsmäßig hast du natürlich recht. Allerdings: Das Bild oben zeigt die Meyerheimstraße 1 samt Fällankündigung und Unterschriftenliste.

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  4. PS: Um Missverständnisse zu vermeiden, hätte ich für das Foto den vor dem Haus stehenden Baum vielleicht mal kurz beiseite stellen sollen… . Naja, beim nächsten Mal…

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