Bezirksbürgermeister Matthias Köhne kann sich freuen: Irgendwann im November wird ein Kleintransporter bei ihm vorfahren und rund 400 Flaschen Wein abladen. Bester Riesling aus Prenzlauer Berg, Jahrgang 2009. Gewachsen am Fuße der heute „Volkspark Prenzlauer Berg“ geheißenen Oderbruchkippe. Gehegt, gepflegt und gelesen von Mitgliedern und Freunden des Fördervereins Weingarten Berlin e.V.
Berlin hat eine jahrhundertealte Weinanbaugeschichte
Am Sonntag wurde mit der Weinlese 2010 begonnen – die dann nach knapp zwei Stunden auch schon wieder ihren Abschluss fand: Mehr als 530 Klilogramm Trauben waren in diesem Jahr nicht von den Rebstöcken zu holen.
Weinanbau mitten in Berlin? Selbst dem Autor dieser Zeilen war bis dato nur der berühmt-berüchtigte Kreuz-Neroberger ein Begriff – ein Wein, von dem in den neunziger Jahren das Gerücht umging, dass man ihn in Flaschen aus Spezialglas abfüllt: Normales Glas würde innerhalb weniger Tage von der Flüssigkeit zersetzt werden… .
Tatsächlich aber hat Berlin eine lange Weinanbaugeschichte.
Aus dem Jahr 1173 ist die erste urkundliche Erwähnung über
den Weinanbau im Brandenburger Land überliefert, um das Jahr 1600 herum war Berlin das Weinanbauzentrum Bran-
denburgs schlechthin: Da gab es in Berlin 96 Weinberge. Vereinzelt erinnern noch heute Straßennamen wie „Wein-
meisterstraße“ oder „Weinstraße“ an diese Zeit.
Der Niedergang begann mit dem Dreißigjährigen Krieg, setzte sich durch wirtschaftliche Umbrüche (Rodung der Weinberge für den Getreideanbau) fort und wurde durch klimatische Ver-
änderungen (Kleine Eiszeit) weiter beschleunigt.
Die Kältewinter 1739/40 und 1740/41 gaben dem Berliner Weinanbau den Rest.
Der Versuch von Friedrich II., den Weinanbau in großem Maßstab zu reaktivieren, schlug fehl. Nur noch ganz vereinzelt wuchsen danach in Berlin noch Reben – die letzten 1913 am Weinbergsweg in Mitte, nah an der Bezirksgrenze zu Prenzlauer Berg.
Der Neubeginn
Als im Jahr 1968 Wiesbaden dem Partnerbezirk Kreuzberg einige Rebstöcke schenkte, begann mit dem hier schon beschriebenen „Kreuz-Neroberger“ die „Neuzeit“ des Berliner Weinanbaus. Zehn Wein“berge“ (die zumeist ebenerdig sind) gibt es derzeit in Berlin, – der Prenzlauer Berger wurde 1999 angelegt. Die jüngste, erst 2002 kultivierte Anbaufläche, befindet sich in Britz.
Die Britzer Hobbywinzer waren am Sonntag bei den Prenz-
lauer Bergern zu Gast. Sie halfen dort nicht nur, die Trauben von den Weinstöcken zu bergen, sondern sie stellten auch die roten und weißen Ergebnisse ihrer Freizeittätigkeit vor. Natürlich wurde bei der Lese auch der heimische „Berliner
Riesling“ verkostet. Und für gut befunden. Doch die letzten Flaschen des 2008er Jahrgangs waren schon bald aufge-
braucht und der 2009er war noch nicht verfügbar. Denn der befand sich am Sonntag noch in einer Kelterei in Meißen.
Dorthin werden die Trauben aus Prenzlauer Berg alljährlich gebracht und fachgerecht verarbeitet.
Wenn nun die 2010er Ernte in die sächsische Weinmetropole gefahren wird, kommt auf der Rücktour das Ergebnis der vorjährigen Lese auf die Ladefläche: Rund 800 Halbliter-
flaschen „Berliner Riesling“ – gekeltert aus 800 Kilogramm Trauben. Irgendwann im November treffen sich Mitglieder des Vereins, um die Flaschen in Handarbeit mit einem Etikett zu versehen.
Tja, und dann geht die Hälfte des edlen Gesöffs in den Besitz des Bezirksbürgermeisters über. Korrekter: In den des Be-
zirksamtes. Sozusagen als „Miete“ für das Weinanbaugelände, auf dem früher einmal das Gartenbauamt des Bezirkes einen Stützpunkt unterhielt. Die andere Hälfte aber wird natürlich zu allererst von den Freizeitwinzern selbst genossen.
Berliner Riesling: Unverkäuflich, aber…
Und sollte dann noch etwas Wein über sein, so wird der auf keinen Fall verkauft.
Auf gar keinen Fall!
Das ist nämlich verboten. Weil Berlin kein staatlich anerkann-
tes Weinanbaugebiet ist, darf hier gezogener Wein auch unter keinen Umständen gehandelt werden. Was das betrifft, da gab es schon mal ein richtig nettes Skandälchen, bei dem einem Händler – ausgerechnet! – Kreuz-Neroberger angeboten wurde… .
Vekaufen ist also tabu – verschenken hingegen erlaubt. Und wenn dem Verein mal eine Spende zugegangen ist, so soll es schon vorgekommen sein, dass als Dankeschön für die finanzielle Zuwendung die eine oder andere Flasche „Berliner Riesling“ an den Spender ging…
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