Der Park ist erstmal futsch. Jene 5 Hektar große Grünfläche, die Möbelhaustycoon Kurt Krieger in der Mitte des Areals des ehemaligen Rangierbahnhofs Pankow anlegen wollte, wird es nicht geben. Das jedenfalls ist der Stand der Dinge im sogenannten „Werkstattverfahren“ von Land, Bezirk und Eigentümer, wie er am Mittwoch vor gut 230 Besuchern in der Pankower Platanus-Schule präsentiert wurde.
Statt der Grünanlage sollen dort – auf Drängen der Senats-
verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt – Wohnungen entstehen. Von bis zu 1.500 Wohneinheiten war die Rede. Woher die Infrastruktur für das neue Wohngebiet kommen soll, blieb an diesem Abend ebenso ungeklärt, wie die Fra-
ge, welche Art und Größe an Einkaufszentren das Gebiet rund um den Bahnhof Pankow handels- und verkehrstech-
nisch überhaupt verträgt. Denn belastbare Untersuchungen darüber liegen immer noch nicht vor.
Dass die bisher darüber erstellten Papiere von äußerst fragwürdigen Art sind, hatte der Hamburger Fachmann Heinrich Iversen auf der vorangegangenen Veranstaltung im September eindrücklich dargelegt. Folgerichtig blieb Iversen schon bald von weiteren Einladungen zur Mitarbeit verschont.
Ein Gutachten über die zu erwartenden Verkehrsströme müsste auf einem noch zu erstellenden Einzelhandels-
gutachten basieren. Letzteres, so ließ der Pankower Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner die Anwesenden wissen, läge erst in in ungefähr acht Wochen vor. Eine kühne Behauptung: Denn als er dies verkündete, war noch nicht einmal der Auftrag für die Erstellung einer solchen Expertise ausgelöst worden.
Statt eines Parks nun Wohnungen und ein „Grünes Band“
Die fehlende Planungsgrundlagen waren für die Akteure des „Werkstattverfahrens“ aber kein Hinderungsgrund, dem Publikum schon mal zwei mal zwei Varianten der Gestaltung des ehemaligen Bahnareals zu präsentieren (siehe Download unten).
Die Vorstellung der möglichen räumlichen Aufteilung des Geländes übernahm der Architekt Carsten Lorenzen.
Der mit dem Titel „Grünes Band“ versehene Entwurf sieht ein großes Einkausfzentrum auf Pankower Seite und dafür bescheidener ausfallende Möbelhäuser an der Prenzlauer Promenade vor. Am Rand der Bahnlinie würde eine langgestreckte Grünfläche enststehen. Möglich wäre es aber auch, das Grün über die Fläche zu verteilen („Grünes Netz“).
Als bipolares Zentrenkonzept bezeichnete Lorenzen eine Bebauungsvariante mit einem kleiner aufallendem Einkaufstempel am S-Bahnhof Pankow, der und zwei größeren Möbelmärkten an der Heinersdorfer Seite. Das Einkaufszentrum könnte mit einer eigenen Straße erschlossen werden. Alternativ könne die Shopping Mall auch von den bestehenden Straßen her erschlossen werden („Verlängerung Hauptzentrum“).
Pi mal Daumen als Berechnungsgrundlage
Wo verlässliche Zahlen fehlen, müssen die längst verworfenen Berechnungen wieder hervorgekramt werden. Oder die Werkzeuge Pi und Daumen kommen zum Einsatz.
Und so wunderte sich eine Weißenseerin darüber, dass die von Konrad Rothfuchs von der Stadt- und Verkehrsplanungs-
gesellschaft LK Argus erwartete Kundschaft von Einkaufs-
zentrum und Möbelmärkten nur aus einem relativ kleinen Umkreis kommen sollte.
Rothfuchs gestand ein, dass sein Vortrag, in dem den zusätzlich zu erwartenden Verkehr je nach Größe der Märkte zwischen 15.000 und 33.000 zusätzliche motorisierte Verkehrsteilnehmer je Tag veranschlagte, auf der Basis von längst verworfenen Gutachten enststanden sei.
Und als aus dem Publikum dann noch der Hinweis kam, dass üblicherweise die Faustregel gilt, ein Quadratmeter Verkaufsfläche bedeutet einen Kunden am Tag, er jedoch nur 0,6 Kunden zur Berechnungsgrundlage genommen habe, geriet der Experte in Erklärungsnot.
„Kommen Sie morgen und kaufen Sie es mir ab!“
Bis zu 47.000 Quadratmetern Verkaufsfläche sollen die Möbelmärkte von Kurt Krieger umfassen – dazu kommen noch einmal 30.000 Quadratmeter Einzelhandel in Form einer Shopping Mall. „Wir dürfen keine neue Konkurrenz zu den gewachsenen Zentren schaffen“, erklärte Michael Künzel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
Genau das aber wird von einigen Pankowern befürchtet. „Wir haben doch bereits ein Pankower Zentrum, so ein Anwohner, das vor sich hinsiecht. Wir brauchen kein zweites und drittes Einkaufszentrum. Gerade wird hier eines am S-Bahnhof gebaut mit Einkaufsmöglichkeiten und Ärzten.“ Wenn überhaupt, dann würde er die ursprüngliche Planung Kriegers mit einem Park in der Mitte befürworten.
Der bündnisgrüne Aktivist Martin Kasztantowicz favorisierte den Entwurf des „Grünen Bandes“, war sich aber nicht sicher, ob das Grundstückseigentümer ebenso sieht: „Wir können ja nun aber nicht von ihm verlangen, dass er es für uns baut.“
Also sollte das Land Berlin das Grundstück als städtebau-
liches Entwicklungsgebiet ausweisen und es Kurt Krieger zum Preis eines stillgelegten Bahngeländes abkaufen und dann selbst entwickeln.
Und dann wollte Martin Kasztantowicz wissen, wie groß die Wertsteigerung des Grundstückes sei, wenn es von den Planungsbehörden als Bauland ausgewiesen wird.
Über seinen Zugewinn ließ der mit gewohnten Entertain-
ment-Qualitäten auftretende Möbelhaus-Untenehmer nichts verlauten – aber er machte dem Fragesteller eine Offerte:
„Sie können es gerne haben.“ Die Stadt, erklärte Krieger dann, sei sehr zufrieden gewesen, „einen Doofen“ wie ihn gefunden zu haben, der vier- bis fünfhundert Millionen Euro auf dem Gelände investieren wolle. Und bot Kasztantowicz dann an: „Kommen Sie morgen, kaufen Sie es mir ab!“
Zu wenig Kultur, zu wenig Sport
Vier Schülerinnen aus dem Carl-von-Ossietzky-Gymnasium trug ihre Meinungen zu den Planungen vor. Zu Beginn wurde von ihnen eine eigentlich naheliegende Frage gestellt: Warum muss jeder freie Platz bebaut werden?
Eine Schülerin machte dies an dem am Pankower Bahnhofsvorplatz errichteten schwarzen Klotz fest: Es sei dort nicht mehr „gemütlich“. Nachdem das Haus dort hingestellt wurde, möchte man dort nicht mehr verweilen.
Zu den Planungen auf dem Rangierbahnhofsgelände stellten sie fest: Die Flächen für den Kultur und Bildung sind viel zu klein.
Ein Sportplatz nicht nur für die Schule, sondern sondern für alle Pankower sollte dort entstehen, ebenso eine Schwimmhalle – kein Spaßbad, sondern eine Halle, in der man Schwimmen lernen und Wettkämpfe ausrichten kann. Ein Zeltplatz, wie er einst am Hauptbahnhof existierte sollte dort zu finden sein – und der Rundlokschuppen wäre für einen Jugendklub und Proberäume geeignet.
Nach knapp eineinhalb Stunden wurde die Diskussion von Versammlungsleiterin Elke Pahl-Weber beendet. Weitere Veranstaltungen sollen folgen. Und vielleicht schaffen es die Beteilgten ja bis dahin, die entsprechenden Gutachten über die Veträglichkeit einer Handelsansiedlung in der angedachten Größenordnung beizubringen. Dann würde ein solches Meeting sogar Sinn machen, weil: Man weiß dann wenigstens, worüber man redet.
Downloads
Verlängerung Hauptzentrum
Variante Bipolare Zentren
Grünes Band
Grünes Netz
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illgen
Nov 02. 2012
Ich hatte leider nicht die Zeit, zu dem Werkstattverfahren zu kommen, da ich ein berufstätiger Bürger bin. Ich verfolge schon eine ganze Zeit, was mit dem Rangierbahnhof werden soll, für meine Begriffe hat PANKOW selbst vieles im Zentrum missachtet bzw. auch nicht gut durchdacht, der Rathauscenter wurde gebaut, dann noch diesen hässlichen Klotz von Bau am S-Bahnhof. Da wurden auch nicht die Bürger gefragt, mit Ärztehäuser haben wir eine Überbelegung, von vernünftiger Stadtentwicklung kann man hier nicht sprechen, der Pankower wurde verarscht. Jetzt kommt einer der auf dem Gelände was Vernünftiges erstellen möchte, schon werden dem Herrn Krieger Knüppel zwischen die Beine geschmissen, denn ich finde seinen letzten Entwurf sehr interessant. Meine Tochter macht gerade ihren Master auf Stadt- und Regionalplanung und sie fand den Entwurf ebenfalls in Ordnung, einige kleine Sachen hätte man mehr in den Vordergrund bringen können, wie an Alte, Kinder und Jugendliche mehr denken. Sind wir doch mal ehrlich, am Wochenende ist doch Pankow tot, toter geht es doch garnicht, für Jung und Alt ist nichts was einen halten oder verweilen lassen könnte. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, lange vor der Wende, Pankow war lebendig. Politiker die keine Ahnung vom Bauwesen, Strassenbau und Umweltschutz usw.haben, sollten es wirklichen Fachleuten überlassen.