Nicht einmal zwei Wochen, nachdem Vertreter des Senats, des Bezirksamts Mitte, des Eigentümers des Mauerpark-
erweiterungsgeländes CA Immo und des Vereins „Freunde des Mauerparks“ feierlich den symbolischen Auftakt der Erweiterung des Parks begangen hatten, wurde das Areal nördlich des Gleimtunnels an den Berliner Bauunternehmer Klaus Groth verkauft. Das meldete die Berliner Zeitung kurz vor Weihnachten.
Wie das Blatt weiter berichtete, will Groth dort ab dem Jahr 2014 bis zu 600 neue Wohnungen errichten. Dazu sei er dem „Städtebaulichen Vertrag“ beigetreten.
Die Übernahme des Grundstücks durch die Groth-Gruppe ist nicht zuletzt im Zusammenhang mit weiteren Grundstückskäufen des Unternehmens bemerkenswert. So teilte der bisherige Eigentümer des Nordgrundstücks, der Immobilienverwerter CA Immo, am 20. Juli 2012 mit, dass die Berliner Groth Gruppe verschiedene Grundstücke in Berlin von der CA Immo gekauft habe.
Weiter heißt es dort:
„Zum Grundstückspaket gehört auch das Entwicklungsgebiet an der Lehrter Straße. Dieses Gebiet liegt nördlich des Berliner Hauptbahnhofes und gegenüber der Europacity. Hier wird ein lebendiges neues Wohnquartier entstehen, mit einem Potenzial von über 700 Wohnungen.“
Die anderen Grundstücke, die in diesem Deal an die Groth Gruppe übergingen, wurden in der Pressemitteilung nicht benannt. Das Gleisdreieck-Blog fragte damals schon:
„Was ist noch im Paket? Sind es die umstrittenen Bauflächen am Mauerpark (…)?“
Nicht von der Hand zu weisen ist zumndest die zeitliche Nähe zum Coup des Mitte-Stadtrates für Stadtentwicklung Carsten Spallek (CDU), der Ende Juni 2012 einen Beschluss der BVV Mitte durch einen einfachn Bezirksamtsbeschluss ersetzen wollte, mit dem schnellstmöglich freie Bahn für den „Städtebaulichen Vertrag“ zur Bebbauung des Nordteils der ehemaligen Erweiterungsfläche geschaffen werden sollte.
Schillernde Figur
Der 74jährige Bauunternehmer Klaus Groth, der unter anderem die CDU-Bundeszentrale errichtet hat, ist eine der einflussreichsten und schillerndsten Figuren im Berliner Baugewerbe. Am Anfang seiner beruflichen Laufbahn war er Kommunalplitiker in Schleswig-Holstein, danach wechselte er in die Bau- und Wonungswirtschaft: Erst als Geschäftsführer für einer Wohnungbaugenossenschaft, ab 1976 mit einer eigenen Firma.
Im Jahr 1982 siedelte Groth mit seinem Unternehmen nach (West-)Berlin über.
Just zu dieser Zeit kamen im Zuge der Garski-Affäre einige unschöne Blüten des Berliner Bausumpfs ans Licht der Öffentlichkeit.
Über den Berliner Beginn von Klaus Groth bemerkte der „Spiegel“ süffisant: Die von Klaus Groth geführte
„Firma Groth + Graalfs verteilte 1983 bis 1985 Präsente – vorzugsweise edle Weine – im Wert von rund 200 000 Mark zielgerichtet in Politik und Verwaltung. Empfänger waren etwa der wegen der Garski-Affäre zurückgetretene Ex-SPD-Finanzsenator Klaus Riebschläger ebenso wie 103 weitere Mitarbeiter der Wohnungsbaukreditanstalt (WBK), die üppige Subventionen für den sozialen Wohnungsbau vergab“
Um dann fortzufahren: Die Firma Groth + Graalfs
„vermietete der öffentlich-rechtlichen WBK 1992 für zehn Jahre ein Bürogebäude für überteuerte 97,75 Mark pro Quadratmeter monatlich, obwohl die meisten WBK-Mitarbeiter schon nach vier Jahren Umbauzeit in ihr altes Gebäude zurückkehren konnten. Schaden laut Landesrechnungshof: ‚mindestens 54 Millionen Mark‘.“
Der Bauunternehmer, den der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen einen „wichtigen Berater“ nannte, ist CDU-Mitglied und gehört seit seiner Ankunft in Berlin zu den Großspendern der Christdemokraten. Dennoch verwahrte er sich bereits 1998 gegenüber der Berliner Zeitung dagegen, lediglich als Gönner seiner eigenen Partei dargestellt zu werden: Seit fünf Jahre (also seit 1993) bedenke er auch SPD und FDP mit Spenden.
Meilensteine des Bauwesens: Karow Nord, erste deutsche „Gated Community“
Klaus Groth war und ist in Berlin und Potsdam mit seinen Firmen omnipräsent. Und zuweilen ist er sogar eine Art Pionier. So hat er in Brandenburgs Landeshauptstadt die erste deutsche „Gated Community“ : Die Villensiedlung Arcadia, die das Sicherheitstsbedürfnis gut zahlender Käufer befriedigt, die Angst vor der Verelendung der anderen, nicht so gut Betuchten haben – vor allem aber Angst vor den daraus resultierenden möglichen sozialen Unruhen, wie ein Einwohner jenes neuzeitlichen Burgengeländes offen in einer Spiegel-Reportage bekannte.
Doch nicht nur gut gesichertes Luxuswohnen stand auf Groths Agenda. Erfolgreiche Geschäfte tätigte auch im Bereich des sogenannten sozialen Wohnungsbaus. Der war auf Grund reichlich fließender Fördermittel vor allem für Bauunternehmer sozial.
Das Wohngebiet Karow-Nord galt als das größte nach der deutschen Vereinigung entstandene Neubaugebiet Deutschlands. Errichtet wurde es von einem Konsortium („Arge“), an dem Groth mit über achtzig Prozent beteiligt war. 1,4 Milliarden DM Baukostenzuschuss zahlte der Senat – bei Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden.
Die Vertragskonstruktion, die der Senat für das Projekt wählte, befreite die Bauherren davon Bauaufträge für öffentliche Vorhaben, wie zum Beispiel den Straßenbau, öffentlich auszuschreiben. Das Kein Wettbewerb also – und damit auch keine Kontrolle über die Kosten. Dazu kam, dass die nach dem Baugesetzbuch zu erhebenden Erschließungsbeiträge durch Verrechnungen mit Abschöpfungsbeträgen oder Grundstückspreisen ersetzt wurden.
Kurzum: eine Goldgrube für Groth – und ein Schwarzes Loch für die Landeskasse.
Offenbar schien dies nicht zu reichen. So gab es Unstimmigkkeiten bei der Abrechnung von Infrastrukturmaßnahmen: Straßenbeläge für Kreuzungen etwa sollten doppelt berechnet worden sein – es ging um etliche Millionen Mark. Groth wies alle Schuld von sich: Es gäbe keine falschen Abrechnungen und die in dieser Sache gestellte Strafanzeige der grünen Abgeordneten Ida Schillen beruhe auf Missverständnissen.
Eineinhalb Jahre wurde der letzte Teil des Ermittlungsverfahrens gegen „Groth & Graalfs“ eingestellt – nachdem ein Mitarbeiter eine Geldbuße in Höhe von 300.000 Mark gezahlt hatte. Eine Menge Holz für ein Missverständnis.
Miese für die Offentliche Hand
War das Bauen für Klaus Groth offenbar ein gutes Geschäft – so lief es mit der Vermarktung des Viertels weniger gut. Und so war im Sommer 2006 unter Überschrift „Groth will Immobilien verkaufen“ zu lesen:
„Am Anfang liefen die Fonds mit den Förderungen für den sozialen Wohnungsbau problemlos. Nach der Absenkung der Förderung trat das Grundproblem zutage. Die geplanten Mieten ließen sich nicht durchsetzen. Damit kämpfen auch andere geschlossene Immobilienfonds. Mit dem Auslaufen der Förderung stehen nach Branchenangaben 500 von ihnen in Berlin vor der Insolvenz.
(…)
Hinter den 19 Fonds steht die Berliner Bauträger-Gruppe Groth, die lange auf die Unterstützung der früheren Bankgesellschaft Berlin und deren Tochter Berlin Hyp bauen konnte.“
Groth war die Belastung los – und sie fiel nicht etwa an die neuen Eigentümer der Fonds, sondern – an das Land Berlin.
Die Tageszeitung „Die Welt“ schrieb dazu:
„Im Neubaugebiet an der nördlichen Stadtgrenze im Bezirk Pankow will der rot-rote Senat noch einmal 46 Millionen Euro locker machen, um die Pleite von acht geschlossenen Immobilienfonds zu verhindern. Der Bauunternehmer Klaus Groth hatte die 1659 vermögenden Zeichner meist in Süddeutschland eingesammelt. Wie aus einer vertraulichen Vorlage des Senats zu Karow-Nord hervorgeht, sind die ab 1994 mit öffentlicher Förderung errichteten 1462 Wohnungen aber nicht gut nachgefragt. Zwölf Prozent stehen leer, der vertraglich geregelte Abbau der Fördermittel könne nicht wie geplant durch Mietsteigerungen kompensiert werden, heißt es. Entsprechend seien die acht Fonds in Schwierigkeiten. Aufgrund einer ungewöhnlichen Rechtskonstruktion der Fonds als GmbH & Co OHG gehen die landeseigene Investitionsbank Berlin als auch der Senat davon aus, dass sie die Fondszeichner nicht heranziehen können. Ein „Durchgriffsrecht“, schreibt Baustaatssekretärin Hella Dunger-Löper (SPD), sei „nicht gegeben“. Denn die Anleger bei den in Rede stehenden Aquis-Fonds haben sich anders als üblich über einen Treuhänder beteiligt. Insofern hafte der Zeichner im Außenverhältnis nicht für die Gesamtschulden.“
Im Dunstkreis des Berliner Bankenskandals
Als im Jahr 2001 der Berliner Bankenskandal publik wurde, geriet auch Klaus Groth in das Visier der Ermittler:
„Das zur IBAG-Immobilientochter der Bankgesellschaft gehörende Beteiligungsunternehmen GIB hatte mit dem CDU-Großspender und Bauunternehmer im Februar die neue Groth Holding GmbH & Co.KG gegründet und sich am Kapital mit 40 Prozent beteiligt. Wie die „Berliner Zeitung“ berichtet hatte, finanzierte die GIB per Darlehen auch den größten Teil der auf Groth entfallenden Kapitaleinlage. Zudem wurde dem Bauunternehmer unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg der Firma die Entnahme einer jährlichen Mindestrendite von 1,6 Millionen Mark (820 000 Euro) eingeräumt. Bank-Chef Rupf hatte sich persönlich für dieses Modell stark gemacht, wie der Ex-IBAG-Manager Christian Lauritzen auch vor dem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses bestätigt hatte. Dabei galt Groth bankintern als Problemfall. In einer Aktennotiz der Bank vom 22. Juni 2001 wurden die Groth zuzuordnenden Kredite auf 1,88 Milliarden Mark beziffert. Eine IBAG/GIB-Zahlung von 12,8 Millionen Euro an Groth sei zudem „voll Blanko“, also ohne jede Sicherheit, ausgereicht worden.“
Doch wie bei den meisten anderen Beteiligten des Bankenskandals, blieben auch für Groth die Ermittlungen folgenlos. Denn nicht alles, was unauber erscheint, muss zangsläufig strafrechtlich relevant sein.
So, wie zum Beispiel auch bei der fragwürdigen Vergabe eines 145-Millionen Auftrages für den Neubau der Bibliothek der Technischen Universität im Frühjahr 2001.
Die Vergabe des Auftrages an Groth war offenbar dermaßen fehlerhaft, dass der Vergabesenat des Kammergerichts die Auftragsvergabe stoppte.
Mauerpark Nord-Filet: Niedrigere Mieten durch niedrigere Wohnungen
Groth will noch im Januar in die konkrete Planung einsteigen, deren Grundlage laut des „Städtebaulichen Vertrages“ der Entwurf des Architekten Carsten Lorenzen ist (siehe Download unten). Danach sollen bis zu sechs Geschosse hohe Stadtvillen Stadtvillen mit einer Fläche von 58.000 Quadratmetern – das entspricht rund 600 Wohnungen – entstehen. Dabei will Klaus Groth den „Entwurf qualitativ verbessern“.
Laut Berliner Zeitung sollen nach dem Willen des Bauunternehmers außer Eigentumswohnungen auch Mietwohnungen mit vergleichsweise günstigen Kaltmieten von etwa 7 bis 8,50 Euro pro Quadratmeter entstehen. Allerdings könnten die Decken der preisgünstigeren Wohnungen dann nur noch 2,65 statt 3 Meter hoch sein. Auch eine Fußbodenheizung wäre bei den Niedrigunterkünften nicht machbar und statt einer Tiefgarage gäbe es nur Parkplätze. Ob die Erschließung des Areals tatsächlich – wie im „Städtebauliche Vertrag“ vorgesehen – über eine Rampe von der Weddinger Seite des Gleimtunnels moglich sei, will Groth erst einmal überprüfen. Der Neueigentümer kündigte zudem an, der Bürgerwerkstatt Mauerpark seine Vorstellungen darzulegen.
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