„Gleimstraße 52, das ist Bauschutt, Kälte, zerstörte Wohnungstüren und eingeschlagene Fenster, Zerstörung von Wasser- und Abwasserleitungen, Wassereinbrüche an Wand und Decken… .“
So bildhaft die Beschreibungen des Bezirksverordneten Michail Nelken (Linksfraktion) in der „Aktuellen Stunde“ zur Situation in der Gleimstraße 52 auf der Tagung der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch waren, so heftig waren auch seine Anwürfe gegen das Bezirksamt. Das habe, so Michail Nelken, „die Mieter zum letzten Hindernis für die Verwertungs- und Gewinninteressen des Immobilienhändlers gemacht.“
Die aktuelle Stunde stand vor dem Hintergrund des erneuten Einknickens des Bezirksamtes vor den Hauseigentümern Christian Gérôme und Sascha Klupp.
Nachdem Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner den Immobilieneignern erst eine Frist bis zum 23. Januar gesetzt hatte, die vertraglich zugesicherte Rückkehr mehrerer Mieter nach dem Abschluss der Modernisierung zu garantieren, war davon auf der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses in der vergangenen Woche plötzlich keine Rede mehr. Auf die Intervention von Eigentümer Christian Gérôme hatte Kirchner das Ultimatum kurzerfristig ausgesetzt.
Dabei hatte der der Stadtrat zuvor für den Fall, dass die Eigentümer der Forderung des Bezirksamtes nicht nachkommen sollten, nicht nur eine Auflösung des Vertrages zur sozialverträglichen Sanierung in Aussicht gestellt, sondern auch eine Aufhebung der Baugenehmigung für die Gleimstraße 52 angekündigt.
Großzügige Grundrissänderungen genehmigt
In Erklärungsnot kam das Bezirksamt auf der Ausschuss-
sitzung wegen der überaus großzügigen Genehmigung von Grundrissänderungen.
Nachdem Christoph Speckmann vom Pankower Stadtent-
wicklungsamt erst erklärt hatte, dass eine Zusammenlegung von Wohnungen nur zur Behebung von „Substandards“ – also des erstmaligen Einbaus eines Bades – die Zustimmung des Amtes erhalten habe, musste er auf Nachfrage zugeben, dass in der Gleimstraße 52 auch die Zusammenlegung von Woh-
nungen mit heutigem Standard genehmigt wurden.
Dies, so Speckmann, sei eine Gegenleistung für die Unter-
zeichnung des Vertrages durch den Eigentümer gewesen.
Diese Begründung ist schon deshalb bemerkenswert, weil von einer solchen Verabredung mit den Hausbesitzern im Vertrag (siehe Download unten) nichts zu finden ist. Darüber hinaus verstößt sie gegen die Vorschriften des Milieuschutzes, die die Beschränkung des Sanierungsumfangs auf eine „einfache Standardausführung“ vorsehen.
Wie weit das Bezirksamt den Eigentümern Christian Gérôme und Sascha Klupp entgegengekommen ist, zeigte der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion Michail Nelken in der „Aktuellen Stunde“ der BVV-Tagung auf.
Vorgaben des Mieterschutzes im Interesse der Mieter unterlaufen?
„Aus einem Haus mit 38 Ein- und Zweiraumwohnungen“, so Michail Nelken, „von denen über die Hälfte ein Bad, eine Dusche oder Innen-WC hatten, wird am Ende ein Haus mit nur großen Drei- und Vierraumwohnungen und einer sehr großen Fünfraumwohnung mit zwei Bädern. (…) Hatte das Bezirksamt anfangs noch darauf gedrängt, wenigstens zehn Einraumwohnungen zu erhalten, so hatte man nach dem Vertragsabschluss mit dem Eigentümer und auch noch nach einer ersten Baugenehmigung auf dem Wege eines Nachtrags die Zusammenlegung von zehn Vollstandardwohnungen zu fünf großen Dreiraumwohnungen genehmigt“
In seiner Entgegnung gab Stadtrat Jens-Holger Kirchner den Widerspruch zwischen den Vorgaben der Erhaltungsverordnung zum Milieuschutz und der in der Gleimstraße 52 erfolgten Genehmigungspraxis zu.
Das Bezirksamt hätte zwischen den Belangen der konkreten Mieter einerseits und den Vorgaben des einerseits und den Vorgaben des Milieuschutzes auf der anderen Seite abwägen müssen. Jens-Holger Kirchner: „Sinn dieser Vereinbarung war es, die Pläne der Eigentümer zugunsten der Mieter zu ändern.“ Die Rechte der Mieter seien mit dem Vertrag, den das Bezirksamt mit den Hauseigentümern abgeschlossen habe, gestärkt worden. Er verkenne aber nicht, dass man es in der Gleimstraße 52 mit einem Eigentümern zu tun habe, „der seiner Verantwortung nicht nachgekommen ist.“ Dies sei aber kein Grund, nicht auch weitere Verträge zur sozialverträglichen Sanierung abzuschließen.
Mittlerweile hat die Mieterberatung Prenzlauer Berg, die als Vertragspartner zwischen den Eigentümern und den Mietern vermitteln soll, angekündigt, bei weiterer Erfolglosigkeit der Gespräche zwischen Mieter und Vermieter aus dem Vertrag auszusteigen. Konkret geht es dabei um drei Mietparteien, denen die Hauseigentümer die Rückkehr in ihre Wohnungen nach erfolgter Sanierung vertragswidrig verweigern wollen.
Wie Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner gegenüber der Prenzlberger Stimme erklärte, würde auch ein Ausstieg der Mieterberatung die Rücknahme der Baugenehmigung für die Gleimstraße 52 zur Folge haben.
Download „Dreiseitiger Vertrag“
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