„Das ist unzumutbar. Wir werden nicht an die Groth-Gruppe verkaufen.“
Das, was Jörn Richters, der Leiter des Kundenzentrums Nord der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft degewo, beim Podiumsgespräch mit dem Motto „Kein Luxusviertel am Mauerpark! Aufstehen gegen Mietsteigerungen!“ verkündete, war nichts weniger, als das – vorläufige – „Aus“ der Erschließungspläne der Groth-Gruppe für die Nordfläche des Mauerparks.
Rund 100 Menschen waren zu der Veranstaltung in die Freie
Schule am Mauerpark gekommen, der überwiegende Teil von ihnen Anwohner aus der Weddinger Seite der Gleim-
straße. Sie alle waren beunruhigt über die Bebauungs-
vorhaben der Groth-Gruppe nördlich des Mauerparks. Zum einen befürchteten sie, dass die „Aufwertung“ des Gebiets durch teure Eigentumswohnungen in der Nachbarschaft auch bei ihnen zu Mietpreissprüngen führen könnte – analog der Entwicklung im benachbarten Prenzlauer Berg.
Zum Zweiten war da der Horror vor einer erhöhten Verkehrsbelastung – erst durch die Baufahrzeuge, dann durch die Bewohner der knapp 600 geplanten Wohnungen.
Denn nach den Plänen von Grundstückseigentümer Klaus Groth würde eine verkehrliche Erschließung des des Areals von der Weddinger Seite der Gleimstraße erfolgen. Dazu soll eine Auffahrt hinter dem Grundstück Gleimstraße 62 gebaut werden.
Allerdings: Ein kleines Grundstücksgeviert, das zwischen dem Haus Nr. 62 und dem alten Bahndamm liegt, gehört der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft degewo .
In einem im April beim Bezirksamt Mitte eingereichten Antrag auf einen „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ des Bauunternehmers Klaus Groth heißt es dazu:
„Für die Anlage der Erschließungsstraße ist ferner die
Inanspruchnahme einer Teilfläche am östlichen Rand des Wohngrundstückes Graunstraße, Ecke Gleimstraße erforderlich. Mit der Eigentümergesellschaft werden durch die Vorhabenträgerin Verhandlungen über den Erwerb der Fläche geführt.“
Dies stimme nicht, widersprach degewo-Mann Jörn Richters: Es gab zwar eine Orts-Begehung mit Vertretern der Groth-Gruppe, Verhandlungen aber finden nicht statt. Eine Auffahrt unmittelbar an den Wohnhäusern entlang sei nach Auffassung der degewo für die Mieter nicht zumutbar.
Allerdings, so schränkte Jörn Richters ein, sei die degewo ein kommunales Unternehmen, das Weisungen des Eigentümers – also des Landes Berlin – befolgen müsse. Wenn vom Senat ein Verkauf angeordnet würde, wäre die degewo machtlos.
Polizei zeigte Interesse
Befürchtungen, dass nach dem Bau der Luxusbehausungen auf dem Nordgrundstück die Mieten im Brunnenviertel steigen würden, teilte Jörn Richters nicht. „Das ist hier alles sozialer Wohnungsbau, da gelten besondere Regeln.“
Er wies darauf hin, dass die degewo auch bisher schon die Möglichkeiten, die es für Mietanhebungen gibt, nicht ausgeschöpft habe.
Großes Interesse fand die Veranstaltung übrigens nicht nur bei den Weddinger Anwohnern, sondern auch bei der Berliner Polizei.
Bereits im Vorfeld erhielt die verantwortliche Veranstalterin Anrufe des zuständigen Kontaktbereichsbeamten, der sich nicht nur über den geplanten Ablauf des Podiumsgepräches, sondern auch über persönliche Einstellungen der Veran-
stalterin zu Mauerparkfragen erkundigte.
Im Saal befand sich mindestens ein Zivilpolizist, dem die Enttarnung durch Anwesende – „na, machen Sie heute Überstunden?“ sichtlich unangenehm war.
Nicht getarnt, sondern sehr demonstrativ parkte gegenüber der Freien Schule ein Einsatzfahrzeug der Polizei. Gegen 21.30 Uhr entstiegen dem Wagen zwei uniformierte Beamte, die vor der Schultür stehende Besucher nach dem Ablauf der Veranstaltung und die Anzahl der Teilnehmer befragten. Nachdem ihnen die Antworten offenbar zu spärlich erschienen, drangen sie ohne Angabe von triftigen Gründen auf das Privatgelände der Schule vor – um es fünf Minuten später wieder zu verlassen.
Einige Teilnehmer der Veranstaltungen werteten die Polizeiaktivitäten als Einschüchterungsversuche.
Auf Anfrage teilte ein Sprecher der zuständigen Polizeidirektion 3 der Prenzlberger Stimme mit, der Einsatz sei zwar bekannt, „aber von uns nicht veranlasst worden“.
Eine entsprechende Anfrage an das Berliner Polizeipräsidium harrt seit Mittwoch der Beantwortung.
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Kiezschreiber
Mai 12. 2013
Da kann man sich ja nur artig bei den staatlichen Sicherheitskräften bedanken. Bei soviel Aufmerksamkeit von außen wird die neue Bewegung für den Kiez praktisch von selbst zusammenwachsen ;o)))
Tina T.
Jun 13. 2013
Da freuen sich mal wieder die üblichen Verdächtigen: „Polizeieinsatz – toll! Keine Zufahrt – super!“ Aber: Wo sollen sie denn entstehen, die Wohnungen, die die Stadt so dringend braucht? Und wer soll sie bauen, wenn der Senat es ja nun einfach nicht tut? Bei aller Freude am Mauerpark – er ist wirklich groß genug. Eine Stadt besteht eben nicht nur aus Parks, sonder vor allem aus Häusern. Und Berlin ist mit 44% Grünfläche ohnehin eine der grünsten Metropolen der Welt.
Ralf-Michael KJania
Jun 13. 2013
Ist doch simpel, Tina: ohne gesicherte Erschließung und Rettungswege-Konzept ist eine amtliche Baugenehmigung nach BauOBln nicht möglich. Wieso benutzt Groth denn auch diese österreichischen Strohpuppen für städtebaulichen Deal mit zwei Bezirksämtern (keine offenen Karten – oder?)? Es gibt schließlich auch örtliche Bauakteure, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind (Landes-Wohnungsbaugesellschaften). Bitte klaren Kopf bewahren – statt Bau-Aktionismus.
Atze
Jun 14. 2013
@Tina Die Stadt braucht Wohnungen, aber nicht solche wie Herr Groth sie bauen will. Aber keine Angst, wie es der Vertreter der degewo schon angedeutet hat, ist die degewo ja auch weisungsgebunden. Und da in Berlin die Investoren und nicht der Senat über die Stadtplanung entscheidet, wird sicherlich sehr bald die Zufahrt zum neuen Wohngebiet gebaut. Sehr sicher.
tom
Jul 10. 2013
Wedding grenzt schon seit zehn Jahren nicht mehr an den Mauerpark. Merkt euch das doch mal…
von ODK
Jul 10. 2013
Wurde der Wedding verlegt?