Es gibt ja da diesen Spruch: „Davon kann man noch seinen Enkeln erzählen.“ Bei den ehemaligen Besetzern der Begegnungsstätte Stille Straße 10 wäre diese Äußerung allerdings fehl am Platze – denn die Enkel konnten ihre Großeltern ja quasi life erleben.
Und nicht nur sie.
In der Ausstellung, die zum ersten Jahrestag der Besetzung im im Erdgeschoss des Hause zusammengestellt wurde, konnte man Ausdrucke von Zeitungen mit arabischen oder kyrillischen Buchstaben ebenso betrachten, wie Berichte von taiwanesischen oder neuseeländischen Medien.
Alle handelten von den rebellischen Alten aus Pankow, die um ihr Domizil, ihr zweites Zuhause kämpften.
Mitte Oktober dann der Durchbruch: Der Bezirk lenkte ein. Und seit Januar dieses Jahres führt der Förderverein Stille Straße 10 e.V. unter dem Dach der „Volkssolidarität“ die Regie im Haus.
Seitdem organisieren die Senioren ihr Programm selbst. Dabei geht es nicht nur um die Durchführung der weiterhin vom Bezirk finanzierten Kurse – das Angebot reicht von Sport über Skat bis hin zum Englischunterricht – auch die Pflege des Gartens, Einkaufen, und Hausreinigung besorgen die Senio-
rinnen und Senioren nun selbst.
Doch noch ist es nur ein Verbleib auf Zeit. Denn die Verhandlungen über einen Erbbaurechts-Pachtvertrag sind noch nicht abgeschlossen – und der vorübergehende Nutzungsvertrag endet am 31. Dezember. Das lässt die Senioren unruhig werden.
Die zuständige Bezirksstadträtin Christine Keil gab sich gegenüber der Prenzlberger Stimme zwar gelassen: „Manches geht eben nicht so schnell“ – doch zumindest ein Verhandlungspunkt zwischen dem Bezirksamt und der Volkssolidarität scheint derzeit nicht auflösbar zu sein.
Pankow verlangt neben dem Erbpachtzins für das Grundstück einen Kaufpreis von 75.000 Euro für das daraufstehende Gebäude. Die Berliner Vorsitzende der Volkssolidarität Heidi-Knake-Werner findet dies überzogen. Rund eine halbe Million müsse die Volkssolidarität demnächst allein für den Einbau eines Fahrstuhls sowie die Installation verschiedener Brandschutzvorrichtungen in das Haus investieren. Weitere Sanierungsmaßnahmen werden folgen müssen, denn der Bezirk als bisheriger Besitzer des aus den 1920er Jahren stammenden Baus hatte nie die Mittel gefunden, das Haus einer Überholung zu unterziehen.
Angesichts der auf Kosten, die daher auf den gemeinnützigen Wohlfahrtsverband zukommen, wäre nach Meinung von Heidi Knake-Werner die Übertragung der altersschwachen Villa für einen symbolischen Euro angemessen.
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