Ein Papier, ein Papier…

drecksack

 

Ja, gibts denn sowas? Ja, gibt es noch. Oder schon wieder. Keine Ahnung. In diesem Fall wohl aber: Schon wieder. Und zwar: Eine Zeitung. Eine Zeitung mit Gedichten und Geschichten. Nicht „online“ oder so, sondern gedruckt auf echtem Papier.
Unglaublich.
Sonntag war es, als Bert Papenfuß in seine neue Restauration namens Rumbalotte zum „Volkstrauertag mit Feuerwasser und Posaunen“ einlud. Posaunen gab es dann aber doch keine. Dafür aber eine neue Zeitung.

Zum Namen der Lokalität sei nur soviel gesagt, dass er erstens der Titel eines Gedichtbandes von Papenfuß ist und er sich, zweitens, nicht auf eine Liebhaberin lateinamerika-
nischer Rhythmen bezieht, sondern auf einen ruhmreichen Teil der nicht minder ruhmreichen Sowjetarmee. Da dies aber ein jugendfreies Webportal ist, möge der wissbegiere Leser selber googlen
Die Zeitung selbst ist eigentlich zwei Zeitungen: Von vorn gelesen ist es der „Prenzlauer Berg KONNEKTÖR pro tussy!“, herausgegeben von Papenfuß; von hinten der „DRECKSACK – Lesbare Zeitschrift für Literatur“. Aber wer weiß schon, wo vorne und hinten ist? Die Mittelseiten sind mit Grafiken be-
druckt, scheinen aber zu Papenfußens Part zu gehören.

Der DRECKSACK wird von Florian Günther verantwortet.

Günther, der in den 1980er Jahren ein in Ostberlin gefürchteter Punkrocksänger war und heute Dichter und Redakteur der Zeitschrift Floppy myriapoda ist, gab an diesem Abend den Zeitungsverteiler.
Verteiler, nicht Verkäufer.
Vielleicht lag das ja an der verwirrenden Auspreisung der/des Druckwerke(s), bei der er sich möglicherweise sagte, ehe ich jetzt anfange zu rechnen, verschenke ich die Sache lieber. Denn: Der KONNEKTÖR kostet zwei Euro (Begründung: „Diebstahl verpflichtet“), der DRECKSACK kostet – ohne Begründung – auch zwei Euro und beide zusammen wiederum zwei Euro… was angeblich eine Endsumme von zwei Euro ergeben soll. Mathematik eben.
Als schließlich jeder seine Zeitung hatte, begann der gemütliche Teil der Veranstaltung: Lesung mit Musik.
Silka Teichert machte den Anfang und las praktischerweise gleich ihren Text aus dem KONNEKTÖR vor. Ihr folgte der bolivianische Schriftsteller,

Journalist, Übersetzer und Sänger Hugo Velarde, der nicht nur las, sondern auch zur Gitarre griff; dann kam Robert Mießner an die Reihe – tja, und dann…
Dann trat eine hübsch anzusehende Zwei-Mann-Kapelle auf, deren Frontmann Mario Mentrup über herzhaft übersteuerte Rhythmen hinweg immer wieder krächzend „Alexa am Alexanderplatz“ beschwor. Und obwohl sich bei diesem Auftritt gerade Florian Günther an seine Jugendsünden wider den guten Ton erinnert fühlen müsste, war ausgerechnte er es, der dem Vortrag eine vernichtende Kritik zukommen ließ…

Danach kam Florian Gühnther selbst ans Mikrofon und las seine kurzen, hinreißenden Verse so herrlich unbeholfen, dass er vom Publikum zu einer Zugabe gezwungen wurde.
Zu guter Letzt trat Hausherr Bert Papenfuß höchstselbst nach vorn, gab ein paar Texte zum besten und die gingen ungefähr so: „Möpse und Mösen geben sich Blößen im Guten
wie im Bösen für Götzen und Klöten, die an sich löten;
ohne zu müssen, könn‘ sie nix wissen…“ na, und so weiter.

Damit war der Höhepunkt erreicht und die Veranstaltung eigentlich erfolgreich beendet, wenn – ja wenn Papenfuß

nicht plötzlich das Mikrofon an einen bisher nicht weiter auffällig gewordenen, aber offensichtlich doch leicht verwirrten Herrn mittleren Alters (dessen Name hier nichts zur Sache tut und von dem es – Gottseidank! – auch kein Foto gibt) weiterreichte, der dem daran nur mäßig interessierten Publikum mitteilte, dass Papenfuß sein Lokal in quasi historischen Räumen eröffnet habe: Auf den Tag genau vor zwanzig Jahren sei hier Udo Lindenberg mit zwei Begleitern einge-
kehrt und habe am Tresen ein Bier bestellt.

Das ist natürlich Quatsch.

Richtig ist: Vor genau einundzwanzig Jahren betrat Udo Lindenberg die damals in diesen Räumen befindliche „Bierbar“ und wollte für sich und seine zwei Begleiter ein Bier bestellen. Doch kaum hatte er die Kneipe betreten, brüllten wie auf Komanndo alle Anwesenden aus vollem Hals „Udo! Udo! Udo!“, und hämmerten dabei rhythmisch auf den Tischen herum. Nach zehn Minuten verließ der Panikmusiker fluchtartig das Lokal und ward hernach nie wieder dort gesehen…

 

Prenzlauer Berg Konnektör/Drecksack ist zum Preis von 2 Euro erhältlich bei:
Kulturspelunke Rumbalotte continua, Metzer Str. 9, 10405 Berlin
Staatsgalerie Prenzlauer Berg,Greifswalder Str. 218, 10405 Berlin



2 Kommentare zu “Ein Papier, ein Papier…”

  1. Mario Mentrup

    Nov 15. 2010

    Was heistt hier „JUGENDSÜNDEN?- unserer scharfe Kritiker Florian Günther is grad mal 2 Jahre älter als ich. Ich hatte wenig Lust den „so herrlich unbeholfenen“ Vortrag des alten Sacks in irgend einer Weise vor Ort zu kommentierern,denn er gingen mir durch das Ohr rein und aus dem anderen wieder heraus, unter ferner liefen ausserdem konnte ich aufgrund des Lärms vorher so und so nix mehr hören .

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  2. Mario Mentrup

    Nov 15. 2010

    da ich den Schwachsinn nicht löschen konnte, und copy & paste versagte NOCH mal in Reinform (sic!)

    Was heißt hier “JUGENDSÜNDEN?- unserer scharfer Kritiker Florian Günther ist grad mal 2 Jahre älter als ich. Ich hatte wenig Lust den “so herrlich unbeholfenen” Vortrag des alten Sacks in irgendeiner Weise vor Ort zu kommentieren,denn er ging mir durch das eine Ohr rein und aus dem anderen wieder heraus, unter ferner liefen sozusagen. Ausserdem konnte ich aufgrund des Lärms vorher so und so nix mehr hören .

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