Die Wohnungseigentümer Straßburger Straße, deren Häuser sich vis-à-vis der Wohnanlage des Karrees Kollwitz-/, Belforter/, Straßburger,/ Metzer Straße befinden, sind entschlossen, das Bauvorhaben auf dem umstrittenen Areal zu verhindern.
Ende November hatte Rechtsanwalt Curt Lutz Lässig im Auftrag mehrerer Eigentümergemeinschaften der Straßburger Straße dazu eine Feststellungsklage erhoben.
Festgestellt werden soll die “Schwebende Unwirksamkeit” des Vertrages, den das Bezirksamtes mit dem Rainer Bahr, dem Eigentümer der Wohnanlage, abgeschlossen hat (siehe Download „Vergleich“ unten).
Der Vertrag kam zustande, nachdem der Rainer Bahr in einer der von ihm gegen den Bezirk geführten Rechsstreite einen erstinstanzlichen Erfolg nahe zu sein schien und die Bezirkspolitik daraufhin einknickte.
Getrieben von der Angst, der Bezirk müsste irgendwann einmal für die von Bahr freihändig in den Raum gestellten Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe aufkommen, stimmten das Bezirksamt und eine ganz große Koalition von SPD, CDU, Grünen und Piraten für eine Aufhebung der 2011 erlassenen Erhaltungsverordnung zu, die Veränderungen wie Abriss, Blockrandschließung und Luxusmodernisierung der bereits mit zeitgemäßem Standard versehenen Wohnungen der Anlage untersagte.
In einem öffentlich-rechtlichen Vertrag wurde Eigentümer Rainer Bahr zugesichert, dass er seine Pläne in dem von ihm vorgesehenen Umfang (unter anderem Abriss von zwanzig Wohnungen mit zeitgemäßem Standard, Blockrandbebauung, Errichtung einer Tiefgarage) realisieren darf.
Keine Zustimmmung der Nachbarn
„Der Vertrag ist ein Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich zu Lasten der Eigentümer jener Wohnungen, die dem Grundstück, das bebaut werden soll, gegenüberliegen. Und Verträge zu Lasten Dritter sind unzulässig,“ erklärte Rechtsanwalt Curt Lutz Lässig gegenüber der Prenzlberger Stimme:
Normalerweise lässt sich ein Bauherr das Einverständnis der Nachbarn zu seinem Bauvorhaben bestätigen. Liegt keine Einverständniserklärung vor, so kann der Nachbar, wenn er seine Rechte durch das Bauvorhaben beeinträchtigt sieht, gegen die Baugenehmigung Widerspruch einlegen.
Da der Vertrag – ein zweiseitiger Vertrag zwischen dem Bezirk und Eigentümer Rainer Bahr – dem Eigentümer „inhaltlich Baurecht nach Maßgabe eines Bauvorbe-
scheides“ garantiert, sehen sich die Nachbarn in der Straßburger Straße in ihren Rechten verletzt.
Der Vertrag, so Rechtsanwalt Lässig, sei so lange „schwebend unwirksam“, wie die Nachbarn diesem Vertrag nicht zugestimmt hätten. Und seine Mandanten hätten nicht vor, den Bauvorhaben Rainer Bahrs zuzustimmen.
Sollten sich die Anwohner mit ihrer rechtsauffassung durchsetzen, dürfte die Umsetzung des umstritenen Bauvorhabens wieder offen zu sein.
Hilflose Politiker
Der über Jahre währende Konflikt um die Wohnanlage schien mit dem Rückzieher des Bezirks zugunsten des Eigentümers entschieden zu sein – was kleinere „Kampfhandlungen“ zwischen Mietern und Eigentümer dennoch nicht ausschloss.
So ließ Eigentümer Rainer Bahr Anfang November auf dem Gelände allerlei Büsche und Bäumchen abholzen. Die aufgeschreckten Anwohner befürchteten daraufhin einen naheliegenden Baubeginn – eine andere Notwendigkeit war für die Aktion nicht zu erkennen.
Doch weit gefehlt, Eigentümer Bahr begründete die Aktion zwar tatsächlich als eine Bauvorbereitung – doch Baubeginn soll allerdings erst im Mai 2014 sein.
Das alarmierte Bezirksamt teilte schließlich mit, dass dennoch alles seine Richtigkeit habe: Bei den entfernten Gehölzen handle es sich um „Vegetationsbestandteile“, die „nicht weiter geschützt“ seien. Somit fiel die Abholzaktion wohl in die Rubrik „Psychologische Kriegsführung unter Einhaltung der geltenden Naturschutzbestimmungen“.
Als sich drei in für den Abriss vorgesehenen Wohnungen lebende Mieter der geforderten Umsetzung verweigerten und ihnen daraufhin wegen „mangelnder wirtschaftliche Verwertbarkeit“ gekündigt wurde, sah das Bezirksamt auch diesen Fall mit Gelassenheit: Schießlich hätten die Betroffenen es abgelehnt, so Bezirksstadtrat Jens-Holger Kirchner auf eine Anfrage während der letzten BVV-Tagung, in gleichwertige Ersatzwohnungen umzuziehen.
Nicht weniger hilflos, als die durch ihr Einknicken vor dem Immobilieneigner sich selbst entmachtete habende Bezirks-
politik, zeigte sich der am vergangenen Freitag zu einer Art solidarischen Rundgang erschienene Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag Gregor Gysi. Er ließ sich die Sache schildern, sprach von einer „verfahrenen Situation“ und bot an, zu vermitteln. Und verwies ansonsten auf die Bundesregierung, deren Gesetze die Rechte der Eigentümer stärkten und jene der Mieter einschränkten. Juristisch sei da nichts zu machen.
Lange Verfahrensdauer erwartet
Doch was für die Mieterseite gilt, ist für die Wohnungseigentümer auf der anderen Seite der Straßburger Straße noch längst nicht ausgemacht. Sie rechnen mit einem Erfolg ihrer Klage.
Mindestens eineinhalb Jahre, so schätzt deren Anwalt Curt Lutz Lässig, werden wohl ins Land gehen, bis das Verwaltungsgericht in erster Instanz entscheiden wird.
Doch was, wenn der Bezirk vor einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung eine Baugenehmigung erteilt? „Dann“, so Rechtsanwalt Lässig, „werden wir einen Baustopp per einstweiliger Verfügung erwirken.“
Das dürfte schon bald geschehen: Am 6. Dezember ging im Bezirksamt der Bauantrag für die geplante Tiefgarage ein.
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Der Gysi-Besuch in der Belforter Straße
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