Jobcenter Pankow: „Geheime“ Telefonliste nun öffentlich

hieb telefonDie Piratenpartei hat am Mittwoch die Telefonlisten von 130 Jobcentern in ganz Deutschland veröffentlicht. Darunter befindet sich auch die bislang geheim gehaltene Liste des Jobcenters Pankow (siehe Download unten).
Die Jobcenter, die vor allem für Langzeitarbeitslose (sogenannte „Hartz-IV-Empfänger“) zuständig sind, halten die dienstlichen Telefonnummern ihrer Mitarbeiter grundsätzlich unter Verschluss.

Die von den Jobcentern offiziell nicht als Bürger, sondern lediglich als „Kunden“ bezeichneten Hilfeempfänger können mit den für sie zuständigen Sachbearbeiter daher keinen direkten telefonischen Kontakt aufnehmen. Das geht nur indirekt mittels eines zwischengeschalteten Call-Centers. Angelegenheiten, die normalerweise mit zwei, drei Sätzen geklärt werden könnten, wachsen sich dadurch nicht selten zu zeitraubenden Angelegenheiten aus. Auch Sozialarbeiter, die zum Beispiel in der Wohnungslosenhilfe tätig sind, beklagen immer wieder die fehlende Möglichkeit, eines schnellen direkten Kontaktes mit den zuständigen Behördenmitarbeitern.
 

Wüste Drohungen aus den Jobcentern

Mit der Veröffentlichung setzt die Piratenpartei ein Projekt des Wuppertaler Sozialaktivisten Harald Thomé fort. Thomé hatte die Veröffentlichungen der Telefonlisten eingestellt, nach dem er von Seiten mehrerer Jobcenter massiv bedroht wurde.

Auf seiner Webseite berichtet er von

„Anfeindungen, Beleidigungen, Drohanrufen, aber auch unmittelbare Gewaltandrohungen, dass man mir beispielsweise „persönlich mit einigen Kumpels“ auch erläutert könne (…). Ebenfalls wurden mir angedroht, Strafantrag gegen mich zu stellen, möglichst kostenintensive Unterlassungsverfügungen zu initiieren.“

Am ärgsten, so berichtet Harald Thomé weiter, habe in dieser Hinsicht das Jobcenter Spandau reagiert. In einem Schreiben vom 13. Dezember 2013 wurde im angedroht,

„dass zur Vermeidung von über 500 Einzelanträgen auf Unterlassung durch jede Mitarbeiterinnen und jeden Mitarbeiter des Jobcenter angeraten wird, die Liste aus dem Netz zunehmen. Auf Deutsch: Eine Unterlassungsverfügung zieht im Fall des Unterliegens einen Prozess- und Anwaltskosten im Wert von rund 800 € nach sich – mal 500 Fälle macht das rund 400.000 €.“

Dabei hatte Harald Thomé nichts rechtswidriges getan. Denn mit Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ist es jedermann möglich, die Kopie einer solchen Telefonliste zu erlangen.

Dies bestätigte auch das Verwaltungsgericht Leipzig in einem Urteil vom 10. Januar 2013 (5 K 981/11). Dort wird festgestellt:

„Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sieht einen umfassenden Informationsanspruch von Bürgern zu amtlichen Informationen vor, soweit dagegen nicht Sicherheits- oder Datenschutzgründe sprechen.
Sicherheitsgründe lagen im vorliegenden Fall nicht vor. Die Diensttelefonnummern der Bearbeiter einer Behörde unterliegen nach dem IFG nicht dem persönlichen Datenschutz des einzelnen Behördenmitarbeiters.“

Bezirkspolitik bemüht sich seit einem Jahr um die Offenlegung der Pankower Liste

Jan Schrecker (Piraten): Telfonliste offenlegen

Jan Schrecker (Piraten): Telfonliste offenlegen

Jenes Urteil war es denn auch, das den Vorsitzenden der Piratenfraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversamm-
lung Jan Schrecker veranlasste, einen Antrag einzubringen, in dem das Bezirksamt aufgefordert werden sollte, die Telefonlisten öffentlich zu machen.

Nachdem die bündnisgrüne Fraktion – ebenfalls mit Berufung auf das Leipziger Urteil – einen ähnlich gelagerten Antrag eingebracht hatte, traten die Piraten jenem bei.

Im April erhielt der Antrag die Zustimmung der BVV.

Im November 2013 teilte das Bezirksamt in einem Zwischenbericht mit:

„Sowohl Geschäftsführung als auch die andere Trägerseite (das ist die Regionaldirektion der Bundesanstalt für Arbeit Agentur für Arbeit Berlin Nord – ODK) vertreten die Auffassung, dass mit der Veröffentlichung der Telefonlisten aufgrund der Prozessabläufe im JC dennoch nicht die erwünschte Transparenz und Erreichbarkeit des zuständigen Bearbeiters gewährleistet werden könne.“

Und weiter:

„Die Veröffentlichung der Telefonlisten wäre mit personellen Konsequenzen verbunden. Das JC müsste ggf. auf die Inanspruchnahme des Servicecenters verzichten, um die entsprechenden Personalkapazitäten innerhalb des JC vorzuhalten.
(…)
Da sich die Trägerseite der BA noch nicht über ein abschließendes Meinungsbild zu dieser Problematik verständigen konnte, einigten sich die Mitglieder der Trägerversammlung, die Beschlussfassung zu vertagen und die Entscheidung des Sächsischen OVG abzuwarten.“

“Kundin" Erna E. bei dem Versuch, mit Axel Hieb, Chef des Jobcenter Pankow (rechts im Bild) ein Telefongespräch zu führen

“Kundin“ Erna E. bei dem Versuch, mit Axel Hieb, Chef des Jobcenter Pankow (rechts im Bild) ein Telefongespräch zu führen

Das Warten hat nun ein Ende – auch ohne dass das Sächsische Oberverwaltungs-
gericht in Leipzig die klare Rechtslage noch einmal bestätigt.

Ob das Jobcenter Pankow, nachdem die Liste nun auch ohne eigees Zutun öffentlich geworden ist, tatsächlich auf die Dienste des Call-Center verzichtet, konnte heute (Donnerstag) nicht mehr in Erfahrung gebracht werden.

Von der Geschäftsleitung des Jobcenters Pankow war niemand für eine Stellungnahme zur neu entstandenen Sachlage zu erreichen .

 

 

 

 

Und hier kann die Liste heruntergeladen werden:

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4 Kommentare zu “Jobcenter Pankow: „Geheime“ Telefonliste nun öffentlich”

  1. Insider

    Jan. 25. 2014

    Es sollte im Beitrag korrekt dargestellt werden, dass Träger des Jobcenters Pankow die Agentur für Arbeit Berlin Nord (nicht die Regionaldirektion) und das Bezirksamt Pankow ist. Beide Träger haben 50% Stimmrecht in der Trägerversammlung. Hier also alles nur der Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch die Agentur für Arbeit Berlin Nord in die Schuhe zu schieben, ist nicht richtig. Wenn der Bezirk ein tatsächliches Veröffentlichungsinteresse hätte, sollte er auch entsprechend handeln. Was sagt denn die zuständige Stadträtin Lioba Zürn-Kacztantowiz (SPD) dazu?

    Ebenso sollte der Autor weiter sauber recherchieren. Gegen das Urteil des VG Leipzig wurden Rechtsmittel eingelegt. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.

    Es muß also abgewartet werden. Mit Sicherheit kein schönes Vorgehen einiger Geschäftsführungen in den Jobcentern. Aber auch Herr Thome wäre gut beraten gewesen, vorher zu überlegen. Wie ich in den Wald reinrufe so schallt es an manchen Stellen heraus.

    Ich vermute aber, dass der Geschäftsführer des Pankower Jobcenters besonnener reagieren wird. Immerhin gab es auch zu Zeitden der Sozialhilfe Telefone und keine Servicecenter. Weder sind Mitarbeiter in Anrufflut versunken, noch waren Leib und Leben bedroht.

    Alle Seiten sollten die Angelegenheit versachlichen und wieder etwas runterfahren!

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    • von ODK

      Jan. 26. 2014

      @Insider
      Vielen Dank für Ihre Hinweise.
      Sie haben natürlich recht: Nicht die Regionaldirektion, sondern die Agentur für Arbeit Berlin Nord vertritt die Arbeitsagentur in der Trägerversammlung des Jobcenter Pankow. Ich habe dies dementsprechend korrigiert.
      Was Ihre Frage nach der Haltung der zuständigen Bezirksstadträtin betrifft, so sei auf die von mir zitierte Vorlage zur Kenntnisnahme (Zwischenbericht) verwiesen, die ich jetzt im Text noch einmal verlinkt habe: Entsprechend des BVV-Beschlusses hat sich die Bezirksamtsseite der Trägerversammlung darum bemüht, Geschäftsleitung und Agenturseite von der Listenveröffentlichentlichung zu überzeugen – vorerst ergebnislos.
      Und schließlich: Dass eine (abschließende?) Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes noch aussteht, ist im Text sehr wohl vermerkt.

      Mit besten Grüßen nach nebenan

      ODK

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  2. svanhild herzog

    Juni 10. 2014

    hallo, schön das endlich einer den verzweifelten hilft.warum es eine zentrale gibt,die keinerlei kenntnisse und befugnisse hat zeigt mir wieder ein beispiel der steuerverschwendung. einfach den eigenen ansprechpartner anrufnkönnen,ersprat kosten zeit und nerven und vorallem unser aller steuergelder.
    bitte weiterforschen- ich mach mit
    sh

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  3. Herbert Külzer

    Okt. 08. 2014

    Warum der ganze Wirbel um diese Blöden Nummern?
    Die Listen sind zum großen Teil veraltert Mitarbeiter die darin stehen sind in anderen Ämtern. Piraten verstehen sich vieleicht auf das Kapern andere Schiffe aber im Besorgen aktueller Listen mit dazugehörenden Ticket Nummer für die Digitale Versundung von Schriftstücken ist diese Partei untauglich.
    Also Schuster bleib bei deinen Leisten

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