Der Gleimkiez ist eh nicht mit einer übergroßen Zahl von Spielgelegenheiten gesegnet. Nun sollen die Kinder des Viertels vom größten Spielplatz der Gegend ferngehalten werden. Der Grund: Das Bezirksamt und die Direktorin der angrenzenden Grundschule erklärten das Areal kurzerhand zum Teil eines Schulhofes.
Die Lage scheint ein wenig unübersichtlich.
Im Karree zwischen Kopenhagener, Ystader, Sonnenburger und Gleimstraße befinden sich: Ein mit öffentlichen Mitteln geförderter Sport-(1) und Spielplatz(2), der sowohl von der Schule am Falkplatz, als auch von der Öffentlichkeit genutzt wird. Südlich schließt sich – durch einen Zaun (rot gepunk-
tet) abgegrenzt – der Schulhof an.
Zwischen Schulgebäude und Horthaus (5) befindet sich der Kieztreff (4) des Bürgervereins Gleimviertel e.V.
Die 2006 fertiggestellte Spiel-und Sportanlage wurde bis 14 Uhr von der Schule genutzt – danach standen die Anlagen für jedermann offen.
Im März dieses Jahres wandte sich die Gesamtelternver-
tretung der Falkplatzschule an Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz mit der Anfrage, ob die Nutzungszeiten für den Sportplatz durch die Schule bis 16 Uhr verlängert werden könne.
Eine Antwort erhielt die Elternvertretung nicht. Stattdessen hingen Ende Mai plötzlich rote Zettelchen an den Eingängen, auf denen Schulleiterin Carola Melchert-Arlt verkündete:
„Ab sofort ist der gesamte Schulhof kein öffentlicher Spiel- und Sportplatz! Die Nutzung ist ausschließlich den Schülern/ Schülerinnen der Schule am Falkplatz vorbehalten.
Es besteht Hundeverbot!“
Die Mitteilung sorgte allenthalben für Irritationen. Denn der eigentliche Schulhof endet augenscheinlich – gut sichtbar mit einem Zaun begrenzt – an der öffentlichen Sport- und Spielstätte. Der mit Mitteln aus dem Fonds “Soziale Stadt” sowie EU-Geldern errichtete Spiel- und Sportplatz war hingegen seit jeher öffentlich. Doch nun hieß es plötzlich: “Alles Schulhof”.
Zweifelhafte Begründung
Bemerkenswert war die Begründung, die die Schulleiterin in einem Schreiben an den Bürgerverein Gleimviertel e.V. für die Schließung der bis dato öffentlichen Anlage lieferte.
„Teilweise war kein normaler Schul- bzw. Hortbetrieb möglich, weil unsere Schüler nicht mehr die genannten Orte bespielen können, weil diese von manchmal hunderten Eltern, die nicht unserer Schule zugehörig sind, bevölkert wurden. Eine vorgeschriebene Aufsichtspflicht kann so nicht mehr aufrecht erhalten werden. Unsere Mülleimer der Schule quellen mit schmutzigen Windeln und leeren Bierflaschen über. Teilweise hatten sich schulfremde Bewohner unseren Einlasspin ‚besorgt‘ und besuchten unsere Schultoiletten. Auch vermerkten wir nach Wochenenden einen verschmutzten Hof durch „Partys“ vom Kieztreff, dort wurde gegrillt, Zigarettenkippen lagen überall und unsere Alarmanlage wurde wiederholt ausgelöst. Das alles ist mehr als unschön. Die Aufrechterhaltung eines reibungslosen Schulbetriebes sollte hier an erster Stelle stehen.“
Allein die Vorstellung, dass „hunderte“ Eltern den Spiel- und Sportplatz bevölkert hätten, bedarf schon einiger Phantasie. Denn einen Beweis – etwa ein das heillose Gedränge dokumentierendes Foto – existiert augenscheinlich nicht. Doch selbst wenn es eine solche Massenansammlung gegeben haben sollte: Da die öffentliche Nutzung vor allem nach der Schulzeit stattfindet, fällt es schwer, eine Beeinträchtigung des „reibungslosen Schulbetriebes“ zu erkennen.
Im Gespräch mit der Prenzlberger Stimme spielt für Carola Melchert-Arlt jener Aspekt auch kaum noch eine Rolle. Stattdessen beklagte sie sich über den Bürgerverein Gleimviertel e.V. als die Wurzel allen Übels.
Neben den bereits erwähnten „Partys“ und dem angeblichen Auslösen von Fehlalarmen kreidete die Schulleiterin dem Verein unter anderem an, in seinen Räumen eine private Musikschule zu beherbergen.
Jacqueline Röber vom Bürgerverein Gleimviertel e.V. bestätigt gelegentliche Feiern in den Räumen des Vereins. Dass aber – wie von Carola Melchert-Arlt auch behauptet – die Alarmanlage der Schule durch Gäste des Vereins ausgelöst worden sei, wies sie zurück: „Dass das nicht so ist, können wir sogar belegen.“ Und Heiner Funken – ebenfalls vom Gleimviertel-Verein – ergänzte: „Wenn die Schulleitung mit den Nutzungen durch den Kieztreff Schwierigkeiten hat, ist der angebrachte Weg ja wohl, dass sie das mit dem Betreiber des Kieztreffs, dem Bürgerverein Gleimviertel, klärt und nicht versucht, die gesamte Nachbarschaft auszusperren.“
Wachsen, wachsen wachsen…
Tatsächlich dürften es sich seitens der Schule nur um Scheingefechte handeln. Denn der Schulleiterin der „größten Grundschule Berlins“ geht vor allem um eines: Noch größer werden.
Die Schule am Falkplatz, so erzählte Carola Melchert-Arlt der Prenzlberger Stimme, sei so erfolgreich, dass die Schülerzahlen schneller wachsen als anderswo. „Es gibt Familien, die sich nur deshalb im Gleimviertel eine Wohnung kaufen, damit sie ihre Kinder zu uns in die Schule schicken zu können.“
Da stört dann wohl der öffentliche Spielplatz, der doch besser zum Schulhof der allergrößten Grundschule gehören sollte. Da stört der „Gleimviertel“-Verein, der doch nur mit schulfrem-
dem Tun unnütz Räume blockiert.
Wo der Bürgerverein, der unter anderem kostenlose Rechtsberatung für sozial schwache Anwohner anbietet, dann bleiben soll, ist für die erfolgreiche Pädagogin ohne Belang: „Das geht mich nichts an. Da ist das Bezirksamt für zuständig.“
Den Überblick verloren
Erstaunlich erscheint an dem Vorgang auch, wieviel an der zuständigen Stadträtin – die ja für das Lenken, Leiten und Koordinieren zuständig ist – vorbeigelaufen sein muss
So weit bekannt, hatten die Elternvertreter in ihrer Anfrage zur Nutzungsverlängerung des Sportplatzes weder Sicherheits-
bedenken angesprochen, noch eine Schließung der Anlage für die Öffentlichkeit gefordert.
Als die Verbotszettel der Schulleiterin dann an den Toren zum Spiel- und Sportplatz hingen, fragten die Elternvertreter noch einmal nach – und erhielten von Bezirksstadträtin Zürn- Kasztantowicz folgende Nachricht
„…da muss ich mich jetzt aber wirklich in aller Form bei Ihnen entschuldigen. Ich habe das Schreiben an das Schulamt weiter gegeben Das Schulamt hat sich gekümmert, aber der Rücklauf zu Ihnen ist nicht erfolgt. Jetzt ist der Platz erst mal gesperrt. Das ist ok. Die Gewährleistung der Sicherheit der Schüler/innen und eines geregelten Schulablaufs geht vor.
Ich gehe davon aus, dass dies nach den Ferien noch Anlass für weitere hitzige Diskussionen in der BVV bzw. im Schulausschuss der BVV sein wird…“
Offenbar hatte die Politikerin das Schreiben der Elternvertreter nicht einmal gelesen.
Auch setzte die Diskussionen nicht erst „nach den Ferien“, sondern unmittelbar nach der Sperrung des Platzes ein.
Nachdem zahlreiche Anwohner nun ihren Unmut kundgetan hatten, kam von der Stadträtin ein erstaunliches Eingeständnis
„…ich kann diesen Streit zur Zeit nicht klären. Es steht Aussage gegen Aussage. Ich bekomme von allen Seiten Emails mit unvereinbaren Forderungen. Die einen sagen, ich soll für den Kiezclub und die Nachbarschaft sorgen, die andern sagen , ich soll gefälligst für einen ordnungsgemäßen Schulbetrieb sorgen. Ich habe weder Personal im Schulamt noch selbst Zeit hier Detektiv zu spielen.“
Was im Klartext wohl bedeutet: Ich habe eine Entscheidung getroffen, ohne mich vorher kundig zu machen.
Steven
Jun 24. 2014
Und dabei ist es doch offensichtlich, was die Schulleiterin hier vor hat. Ich zitiere aus dem Bericht Frau Melchert-Arlt: “ “Es gibt Familien, die sich nur deshalb im Gleimviertel eine Wohnung kaufen, damit sie ihre Kinder zu uns in die Schule schicken zu können.”
Wohnung kaufen statt mieten. Im Gleim-Kiez können sich mittlerweile nur noch besserverdienende Familien entsprechende Wohnungen leisten. Kinder aus solchem Hause sind, was bereits nachgewiesen wurde, begabter als jene, welche nur das nötige Kleingeld haben, um gerade so die Miete zu zahlen bzw. für das Wohl des Kindes sorgen zu können.
Traurig, dass das, was auf dem Wohnungsmarkt mittlerweile Alltag ist, Frau Melchert-Arlt in „ihrer“ Schule unterstützt.
Und die Bezirksstadträtin schaut weg.
Öffentlich geförderte Spielplätze gehören der Öffentlichkeit und nicht einer größenwahnsinnigen Schulleiterin, die ihren „Elite-Schülern“ das bestmögliche Umfeld bieten will.