Erinnert sich noch jemand an den Kampfplatz Kastanienallee? An die Schlacht um Parkbuchten, Bürgersteige und Fahrradangebotsstreifen? – Ja, stimmt, irgend etwas war da mal…
Eine der Forderungen der Umbaugegner war, auf der Allee eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h anzuordnen. Diesem Ansinnen schloss sich sogar der Umbaustadtrat Jens-Holger Kirchner an – wiewohl seine Zustimmung wohlfeil war, denn die Verfügungsgewalt über die Festlegung der Höchstgeschwindigkeit obliegt bei der Kastanienallee als sogenannte übergeordnete Straße nicht dem Bezirk, sondern der „Verkehrslenkung Berlin“ (VLB), die wiederum der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zugeordnet ist.
Bereits im April 2011 ließ die Senatsverwaltung den Bezirk per Briefpost wissen: “Die Kastanienallee ist Teil des übergeordneten Straßennetzes und als Vorfahrtstraße ausgewiesen, was vorrangig den Bedürfnissen der beiden dort verkehrenden Straßenbahnlinien Rechnung trägt. Auch der längere Abschnitt zwischen der Oderberger und Schwedter Straße bedarf daher gerade keiner gesonderten geschwindigkeitsdämpfenden Maßnahmen.”
Davon völlig unbeeindruckt, beschloss die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung zwei Monate später einen Antrag der Bündnisgrünen, in dem es hieß:
„Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow spricht sich nachdrücklich dafür aus, dass im gesamten Streckenabschnitt der Kastanienallee im Prenzlauer Berg eine Geschwindigkeitsbeschränkung von Tempo 30 km/h verkehrsrechtlich angeordnet wird.
Das Bezirksamt wird ersucht, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung diese Position des Bezirks zu übermitteln und mit Nachdruck zu vertreten.“
Die Prenzlberger Stimme titelte daraufhin „BVV beschließt: Ab sofort dreimal täglich Sonnenfinsternis„
Doch sowenig sich der Mond nun plötzlich morgens, mittags und abends vor die Prenzlauer Berger Sonne schob, sowenig interessierte sich bei der Senatsverwaltung irgend jemand dafür, was die Pankower Bezirksverordneten so für Vorstellungen über Höchstgeschwindigkeiten in der Kastanienallee hatten. Die Kastanienallee blieb Tempo-50-Zone.
Letzte Langsamfahrstelle auch noch geschleift
Moment mal – die ganze Kastanienallee? Nein! Auf einem kleinen Teilstück zwischen den Hausnummer 73 und 88 galt seit eh und je die 30er-Begrenzung. Das lag daran, dass vor langer Zeit auf dem Grundstück Kastanienallee 82 mal eine Oberschule existierte. Doch die wurde dereinst ausquartiert (zuwenig Schüler, wissenschon). Seit dem Frühjahr 2005 hat dort die GLS-Sprachschule ihr Domizil, die keine Zehn- sondern hauptsächlich Siebzehn- bis Siebenundzwanzigjährige unterrichtet.
Nach rund einem Jahrzehnt muss das nun auch der für ihre Schnelligkeit und Effizienz berühmte „Verkehrslenkung Berlin“ aufgefallen sein. Also teilte die VLB dem Bezirksamt im Sommer dieses Jahres mit, dass sie nunmehr gedenke, auch die letzte Langsamfahrstelle der Straße zu eliminieren.
Das Pankower Straßen- und Grünflächenamt fand das nicht so gut und machte Bedenken geltend – was die VLB erwartungsgemäß nicht weiter interessierte. Ein zwingendes Erfordernis, ließ die Senatsbehörde das Pankower Amt wissen, sei für die Anordnung von Tempo 30 gegenwärtig aufgrund der Verkehrsunfallentwicklung nicht gegeben. Das Schild muss weg.
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Klugscheißer
Okt 08. 2014
Ich zitiere: „Das lag daran, dass vor langer Zeit auf dem Grundstück Kastanienallee 82 mal eine Grundschule existierte. Doch die wurde dereinst aufgelöst (zuwenig Schüler, wissenschon).“
Es handelte sich aber um eine Oberschule (Gustave-Eifel- Oberschule). Ordnung muss sein !!! Ungenau recherchiert. Setzten 5.
von ODK
Okt 08. 2014
Oh. Wie unanjenehm! Ich kaufe ein „f“ und korrigiere.
Und danke, dass Sie mir keine „6“ verpasst haben…
Robert Sander
Okt 08. 2014
Zum Thema VLB gibt es hier einen schönen Artikel: http://www.alle-macht-den-raedern.de/2014/10/berliner-zustaende-die-verkehrslenkung-berlin/
suffi
Okt 08. 2014
Das alles war doch von vornherrein klar, nur alles für die Sinnlos-Beschleunigung von Kirchners Hetz-Tram! Dazu der rasende „Abkürzungs“verkehr (PKW+LKW)…