Es war wohl Mitte Februar, da hatte der innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus Peter Trapp eine Idee. Und zwar eine von jener Sorte, die mindesten zwei und höchstens fünf Tage lang ein Stürmchen im Blätterwald verursacht – und spätestens am sechsten schon wieder der Vergessenheit anheimgefallen ist.
Nämlich: In Berlin den Außer-Haus-Verkauf von Alkohol zwischen 22 Uhr und 5 Uhr generell zu untersagen. Neu war das auch nicht: Bereits bei den Koalitionverhandlungen im Jahr 2011 kam das Thema auf den Tisch. Ergebnis der Sondierung: Von der Bevölkerung nicht gewünscht, mangels Personal nicht zu kontrollieren – also: Tonne.
Vielleicht war das dem Abgeordneten ja irgendwie entfallen. Schließlich ist ja 2011 auch schon wieder eine Weile her und Peter Trapp ist – bei allem Respekt – nicht mehr so ganz der Jüngste. Da kann das mit dem Erinnerungsvermögen… naja.
Wie anders sind da doch die Jungen: Kreativ, dynamisch und mit einem geradezu elefantösem Gedächtnis gesegnet, sind sie der Inbegriff von Spontaneität und Freiheitswillen.
So, wie zum Beispiel die Berliner Jungliberalen, auch JuLis genannt.
Nur vier Wochen nach dem Nichtereignis entschlossen sich die Jungvorderen der FDP spontan, der vermeintlich drohenden Trockenheit etwas entgegenzusetzen. Und zwar sich selbst. Und so verabredeten sie sich am vergangenen Wochenende unter dem ungeschriebenen Motto „Freiheit ist auch immer die Freiheit des Anderstrinkenden“ zu einer Aufklärungstour durch eine der durch die angedrohte temporäre Prohibition am meisten gefährdeten Gegend – durch Prenzlauer Berg.
Bewaffnet mit einer dreistelligen Anzahl von Flyern („Kein Bier nach Zehn?!“), einem Musik in die Landschaft streuenden kofferähnlichen Gegenstand sowie einer Kiste Pils aus regionalem Anbau, versammelten sich die jungen Freiheits-
trinker (offizielle Slogan: „Mit Bier und guter Laune im Einsatz für die Freiheit“) unterm Magistratsschirm am U-Bahnhof Eberswalder Straße.
Als sich am Treffpunkt auch eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit nicht mehr als neun Aufklärer einfanden und das mitgebrachte Bier zur Neige zu ging, machten sich der übersichtliche Trupp schließlich auf den Weg.
Gleich am Beginn der Danziger Straße wurde ein erster Halt eingelegt.
Nachschub holen.
Ob der Betreiber des Ladens von dem libertären Anliegen seiner Kunden etwas mitbekommen hatte, vermag der drauußen wartende Chronist nicht zu sagen – vor dem Geschäft jedenfalls wurden die Vorbeieilenden, die auf dem nicht eben breit bemessenen Bürgersteig schlecht ausweichen konnten, mit Flyern und Gesprächsversuchen bedacht. Während erstere meist noch entgegen genommen wurde, scheiterte zweiteres fast immer an der demonstrativen Eile der Angesprochenen. Kein Wunder, es war Samstagabend – und wer hat da bittschön schon Zeit?
Ob Koksen tatsächlich „Achtziger“ ist, wie die Fritz-Kola- Außenwerbung des Spätis in der Danizger 23 droht, wäre sicherlich einen tieferen Diskurs wert gewesen. Doch an diesem Abend stand das Thema „Allohol“ auf der Agenda. Also rein in den Laden, die Batterien aufgefüllt und ein paar Faltblätter dagelassen.
Draußen hingegen: Tote Hose. Was eigentlich auch kein Wunder ist – kurz nach 21 Uhr ist für das Partyvolk quasi früher Vormittag und die Danziger liegt um diese Zeit dann noch etwas weit weg vom Schuss. Also wurden sowohl die Straßenseite, als auch die Richtung gewechselt.
Unverhoffter Stopp vor einem Irish Pub. Eigentlich sind ja Gaststätten eher die natürlichen Gegner des Außer-Haus-Flaschenbiers, doch zwei junge Damen – man kennt sich offenbar – genießen vor der Tür gerade eine Frischluft-Nikotin-Mischung. Kurzer Small-Talk, ein Foto – und wieder sind zwei Freiheits-Flyer unters Volk gebracht.
Nachdem auch der Gang über den Hof der Kulturbrauerei eine ziemlich einsamen Angelegenheit wurde, zog es die Kämpfer des zeitlich unbegrenzten Flaschebieres back to the roots – beziehungsweise zurück zum U-Bahnhof Eberswalder.
Dort warteten mittlerweile weitere zehn weitere Kämpfer des freien Bieres. Mit rund zwanzig Personen ging es nun Richtung Kastanienallee. Doch seltsam: Auch hier schien kaum jemand den Ernst der Lage begriffen zu haben. Entgenkommende wichen den Flyern nicht selten erfolgreich aus, so dass nur jenes arglos vor Bars und Kneipen lümmelndes Volk in den Genuss der Warnung vor der kommenden Dürre teilhaftig werden konnte.
Nicht weniger bemerkenswert. Die Spätverkaufstellen, die ja als fixe Institutionen eher selten davonlaufen können, wurden wurden nur betreten, der der Treibstoff zur Neige ging.
Irgendwann erreichten die Frei(Bier)schärler den weit im Außerprenzlauerbergischen liegenden U-Bahnhof Rosenthaler Platz und beschlossen nach eingehender Beratung, dass an diesem Abend nun genug gewarnt sei – und begaben sich zur Auswertung der Aktion in ein nahe gelegenes Lokal.