The Last Waltz

 

Das wars dann also. Das letzte Mal ein Live-Konzert im Knaack – knapp 59 Jahre Clubgeschichte und -kultur neigen sich ihrem Ende entgegen. Nachdem sich die Bewohner eines erst vor kurzem direkt an die Knaack-Räumlichkeiten herangebauten Hauses über Geräusche beschwert hatten, mussten die Konzerte spätestens um 22 Uhr beendet sein. Ein Witz: Clubgänger gehen selten vor 22 Uhr aus dem Haus.

Das konnte man nun auch beim Abgesang vom Concert-Floor beobachten: Nur langsam füllte sich der Klub zu dem für 19.30 Uhr angesagten Beginn der Konzerte.

Einer der so früh Erschienen rieb sich noch den Schlaf aus den Augen und brubbelte was von „extra den Wecker gestellt“. Vielleicht wäre das ja noch ein Weg gewesen, aus der wahnwitzigen Entscheidung der liepoldschen Baubehörde, an den Knaack ein Wohnhaus ohne jegliche Schallschutzvorkehrungen andocken zu lassen: Den Knaack als Kuriosität zu vermarkten, als „Partylocation für Frühaufsteher“ oder so. Die mickrige Anzahl der Besucher, die sich bis kurz vor dem Auftritt der Bands eingefunden hatte, lässt aber berechtigte Zweifel daran aufkommen, ob das dann auch wirklich funktioniert hätte.

Wenn auch die Zahl der regulären Besucher anfangs eine noch recht übersichtliche war, die Medien waren schon da.

Um sich ein paar Betroffenheitsstimmen abzuholen.

Und den ältesten Besucher nach seinen Jugenderinnerungen zu befragen.

Und was der wichtigen Dinge mehr sind…

Die Uhr ging auf Acht, und so richtig voll wollte der kleine Concert-Floor noch immer nicht werden. Normalerweise wartet man mit dem Konzert dann noch so lange, bis die Räume sich gefüllt haben – aber das ging hier ja nicht: Wenn man mehr als zwei Songs je Band zu Gehör bringen wollte, musste man – die Nachtruhe der Neumieter von nebenan und die Strafandrohung bei Zuwiderhandlung gegen die Lärmvermeidungsauflagen vor Augen – zeitig beginnen.

Um 20.13 Uhr erklang dann der erste Ton des letzten Knaack-Konzertes.

„Contravolta!“ heißt die Band, der die Ehre jenes historischen Momentes zuteil wurde. Und als der Sänger zwischendurch ein Statement zur aktuellen Lage abgab, indem er doch etwas pathetisch ausrief: „Lasst uns dafür kämpfen, dass das, was mit dem Knaack passiert ist, in Berlin nie, nie. nie wieder geschieht!“ – da war man versucht, zurückzurufen „jaja, und äh…und neben dem Dunckerclub wird übrigens gerade ein Wohnhaus gebaut…!“
Ein Club ist nun mal kein Kampfgebiet. Auch ein sterbender Club nicht.

Danach kam Constant Visions aufs Podium, die mit Zweierlei glänzten: Mit einem guten Sound – und ziemlich dämlichen Sprüchen. Zum Beispiel: „Habt ihr alle Spaaaaß??!!“ Und weil die mittlerweile auf gut fünfzig Personen angewachsene Zuhörerschar kein vieltausendstimmiges „Jaaaaa!“ zustande brachte, wurde die Anfrage noch ein paar Mal wiederholt.

Wenigstens einem war das offenkundig egal – er wollte bloß feiern.

Und während die meisten mehr oder minder begeistert vor sich hinwippten, machte Jürgen richtig Party. So, wie wohl vor über vierzig Jahren auch schon.

Als er mit seiner Gisela in das „Jugendheim Ernst Knaack“ ging, aus dem dann Anfang der siebziger Jahre der „Jugendklub“ gleichen Namens wurde. Heute war er – nach langer Zeit – wieder einmal hier. Natürlich mit Gisela. Zufällig hatten die beiden Sechzigjährigen gelesen, dass der Klub nun schließen würde.
Es dauerte auch gar nicht lange, bis der temperamentvolle Weißschopf und seine Frau all den anwesenden Journalisten und Pressefotografen ins Auge fielen. Da mussten sie nun durch.
Allerlei Fragen von im Vergleich zu ihnen selbst fast minderjährig
erscheinenden Journalistinnen beantworten, sich von Fotografen begutachten lassen, die sie zu völlig ungestellten Fotos mal hierhin, mal dahin und schließlich draußen vor dem Tor platzierten. Die beiden Knaack-Veteranen waren anfangs doch überrascht ob der Aufmerksamkeit, hatten dann aber wohl ihren Spaß dabei. Und während der Lokalpaparazzo draußen vor der Tür das ulimative Jürgen&Giesela-Foto schoss, füllten sich auch die Räume des Knaack immer mehr. Das letzte Konzert war da schon längst vorbei.

 

 

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Kommentar zu “The Last Waltz”

  1. Frank Stoye

    Dez 15. 2010

    Der letzte Walzer, so ist das wenn Bau- und Kultupolitik versagen. Wenn geschmierte Politiker und die Bande von Bauspekulanten zusammen arbeiten, kommt eben sowas raus. Sicherlich kann man es jeden nicht Recht machen, aber hier ist das offensichtlich das Bezirksamt sehr großen Mist gebaut hat, Dummheit oder Frechheit regieren im Bezirksamt. Die Wahlen müssen Konsequenzen haben. Nach Magnet, Knaack ; wer kommt als nächstes? Ich als einer der wenigen alten Prenzlberger bin sehr sauer. Diese falsche Bezirkspolitik hat man auch an der Moschee gesehen. Wenn Bürger dagegegen protestieren holt man schon mal die Nazibezichtigungskeule raus. Man kann hier nur Kopf schütteln.
    Mfg Frank

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