Was mach eigentlich Gerd Pieper?
Der lautstarke Temperamentsbolzen, dessen Anwesenheit im Kaminzimmer der „Möwe“ man in der ein Stockwerk höher gelegenen Bierbar stets gut vernehmen konnte?
Pieper, der leitende Mitarbeiter des Volkseigenen Kombinats Ingenieurhochbau Berlin, der der Saga nach außerhalb aller Planvorgaben die Mauer des jüdischen Friedhofs an der Indira-Gandhi-Straße entwarf und durch sein volkseigenes Kombinat dann auch errichten ließ – was ihm erst eine Maßregelung und danach eine hohe staatliche Auszeichnung eingebracht haben soll?
Der Architekt des größten Chinarestaurants der DDR, das in einem mächtigen Altbau an der Leipziger/ Ecke Friedrichstraße entstehen sollte und nicht fertiggestellt wurde, weil die Maueröffnung alle Pläne – und Eigentumsverhältnisse – obsolet werden ließ?
Der Stammgast aus dem „Lampion“, der – als das vorletzte Refugium der Prenzlauer Berger Bohème in der Knaackstraße schließen musste – seine Lebensversicherung auflöste, um in der Sredzkistraße 44 das „Pieper“ zu eröffnen?
Erzählte und unerzählte Hausgeschichten
Bei der offiziösen Feier zum 25jährigen Bestehen der „Mietergenossenschaft Selbstbau e.G.“ am vergangenen Freitag (eine Laudatio von Stefan Strauß ist hier nachzulesen ), mit Vertretern aus der Bundes-, Landes und Bezirkspolitik war er jedenfall nicht zu entdecken.
Schade, denn so ein altes Haus hat eben nicht nur eine Geschichte sondern auch vielen Geschichten. Ein paar davon hätte Pieper erzählen können.
Andreas Otto, bündnisgrüner Mandatsträger im Abgeordnetenhaus, war da und hat seine erzählt. Als er in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre ins oberste Stockwerk der Sredzki 44 einzog, war befand sich das Küchenfenster der Wohnung in einem Zustand, der für viel Frischluft im Raume sorgte.
Für zuviel Frischluft.
Da es im DDR-Teil von Berlin Baumärkte im heutigen Sinne nicht gab und es auch sonst keine Läden existierten, in denen man eben mal ein Fenster kaufen konnte, sah sich Otto in Abbruchhäusern um – und wurde fündig.
Allerdings war der Rahmen etwas breiter als die Fensteröffnung im Mauerwerk, so dass letztere auf die entsprechenden Maße gebracht werden mussten. Nun ragte aber der Schließknauf des einflügligen Fensters zu weit nach außen und schlug beim Versuch des Fensterschließens ans Mauerwerk. Mit einer Säge wurde Abhilfe geschaffen…
Das DDR-Heimwerker-Fenster ist noch da – ebenso wie das Poster, das Andreas Otto 1987 an die Hausflurwand neben seiner Wohnungstür geklebt hatte. Dessen Überschrift lautet übrigens: „…und bei euch will ich wohnen.“
Dass das Haus Sredzkistraße 44 das letzte in der Umgebung ist, das sich noch im baulichen Zustand von 1901 befindet, hat mit einer anderen Geschichte zu tun. Denn eigentlich sollte es schon längst modernisiert sein.
Es zählte zu den ersten Grundstücken, für die das Bezirksamt Pankow mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAG spezielle Modernisierungsverträge abgeschlossen hatte, die sozialverträglich sein und die Bewohner finanziell nicht überfordern sollten.
Doch die Mieter stellten sich dagegen.
Nicht, dass sie gegen eine Modernisierung gewesen wären, die zum Beispiel ihre Toiletten vom Hausflur in die Wohnung gebracht hätte und ein Bad gleich noch hinzu.
Aber die GEWOBAG auf der einen und die Mieter auf der anderen Seite hatten zu unterschiedliche Auffassungen von dem, was unter dem Begriff „sozial verträglich“ zu verstehen wäre. Darüber hinaus sollten Grundrisse verändert und Wohnungen zusammengelegt werden, was für die Wohnungsbaugesellschaft wirtschaftlich sicher zum Vorteil gereicht hätte – aber wohl kaum den darin lebenden Mietern. Die Auseinandersetzungen eskalierten, reichten gar bis zu Kündigungen für die aufmüpfigen Mieter und endeten schließlich im Ausstieg der GEWOBAG aus dem „öffentlich-rechtlichen Vertrag“.
Nun hat die „Selbstbau e.G.“ das Haus für 99 Jahre gepachtet.
Auf deren Webseite ist zu lesen, dass hier nun ein „Modellprojekt zum altengerechten Umbau eines Bestandsgebäudes und Einrichtung einer Beratungsstelle zu diesem Thema“ entstehen soll. und dass das Projekt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt wird.
Im Haus wohnt derzeit fast niemand mehr und in den leerstehenden Wohnungen war zum Jubiläumsfest eine Ausstel-
lung über die Geschichte der Häuser der Genossenschaft aufgebaut. Genossenschaftsvorstand Peter Weber führte die Gäste herum und hatte für fast jedes Hausprojekt eine Anekdote parat.
Nur zur Sredzkistraße 44 nicht.
Denn für jenes Haus fehlte eine solche Dokumentation – sieht man mal von ein paar Fotos ab.
Und so kommunikativ der Genossenschaftsvorsitzende etwa bei Fragen zum Projekt auf der Spandauer Insel Eiswerder war, so verschlossen gab er sich zur zur Sredzki 44.
Wie ist die Selbstbau zum Pachtvertrag gekommen? Zu welchen Konditionen? Und wie ist man mit den verbliebenen Mietern übereingekommen?
Fragen, die in zehn Minuten zu beantworten gewesen wären.
„Rufen Sie mich in meinem Büro an, dann können wir einen Termin vereinbaren.“
So bleibt also auch jener Teil der Hausgeschichte vorerst unerzählt.
Schade eigentlich.
Ed.
Aug. 03. 2015
Na, da wurde vermutlich geklüngelt, was das Zeug hält.. ^^