Kita zu – wat nu? Studie zu „flexibler Kinderbetreuung“ veröffentlicht

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Die Spätschicht wurde für Franziska Lasker regelmäßig zum Problem. Denn die Kita ihrer dreijährige Tochter Lena schließt um 17 Uhr, doch Dienstschluss ist für sie erst des Nachtens um zehn. „Bis Ende vergangenen Jahres war das nicht dramatisch, weil ja mein Mann einen ‚kitagerechte‘ Arbeitszeit hatte.“ Doch dann musste Lenas Vater aus betrieblichen Gründen musste für ein halbes Jahr nach Bayern ziehen und Frage war: Wohin mit dem Kind wenn der Vater nicht vor Ort ist und Mutter bis spät in die Nacht arbeitet?
 
 
Das Problem betrifft längst nicht nur mehr Eltern in klassischen Schicht-Dienst-Berufen. Sogenannte

Arbeiten auch noch nach 17 Uhr ist längst keine Seltenheit – erst recht nicht bei den sogenannte „Kreativberufen“ (schreckliches Wort) und auch das Wochenende ist für viele längst keine arbeitsfreie Zeit mehr. Wie eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes schon 2012 feststellte, hat mittleerweile nur noch ein Drittel der Beschäftigten tatsächlich an Samstagen und Sonntagen frei, 35 Prozent der Beschäftigten gehen regelmäßig an einem oder beiden Wochenendtagen zum Dienst.

Was aber fehlt, ist eine adäquate Kinderbetreuung.

Das fiel auch der Pankower Bezirkspolitik auf. im Jahr 2012 beschlossen die Bezirksverordneten ein Modellprojekt zur flexiblen Betreuung von Kindern entwickeln, das auch in anderen Teilen der Stadt praktiziert werden kann. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Pankower Jugendamtes gebildet, deren Erkenntnisse nun vorliegen.
 

Erkenntnis 1: „Flexible Betruung“ gibt es bereits – in homöopathischen Dosen

Die freien Träger „Selbsthilfegruppen Alleinerziehender“ (SHIA) e.V. und das Frauenzentrum Paula Panke boten bis Ende 2011 eine ergänzende, flexible Kinderbetreuung außerhalb der Öffnungszeiten von Kita und Hort an.
Allerdings war beschränkte sich das Angebot von SHIA e.V. lediglich auf erwerbstätige, studierende oder sich in Ausbildung befindende Alleinerziehende mit geringem Einkommen. Paula Panke e.V. bot diesen Service auch für nicht alleinerziehende Eltern an, sofern die zu sozial schwachen Einkommensgruppen gehörten. Darüber hinaus gab es einen sogenannten Begleitservice für die Wahrnehmung von Arztterminen und ähnlichem. Finanziert wurde die Betreuung durch das Jobcenters Pankow über einkommensabhängige Elternbeträge. Allerdings war diue Quantität des Angebots äuß0erst bescheiden: 2011 kamen nicht einmal 200 Familien in den Genuss der einer Netreuunmg außerhalb der Kita-Öffnungszeiten – angesichts der über 25.000 Kinder unter sechs Jahren, die derzeit im Bezirk Pankow leben, eine geradezu homöopathische Zahl.
Ab 2012 mussten die Träger dann auch noch ihre bescheidenen ihre Angebote aufgegeben – das Jobcenter hatte die Förderung eingestellt.

Seit dem Sommer 2014 bietet der SHIA e.V. wieder flexible Betreuung an – jedoch nur für Alleinerziehende und das auch nur in sehr begrenztem Umfang.

Seit 2006 bietet der Albatros e.V. das Ehrenamts-Projekt „Bucher Zwerge“ an. Die Kinderbetreuung erfolgt hier ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis und findet meist im Haushalt der Eltern statt. Die Kosten für die Eltern betragen je nach Einkommen zwischen 4 Euro und 7,50 Euro pro Stunde. Das Angebot ist gefragt, nicht zuletzt wohl auch wegen der vielen Schichtdienstler in den Bucher Krankenhäusern.
Auch das Jugendamt hat ein Angebot, das „Ergänzende Kindertagespflege“ heißt und eine Finanzierung von Tages- (bzw. Abend- oder Nacht-)müttern darstellt. Im Gegensatz zu anderen Angeboten können profitieren hier auch Eltern, die nicht berufstätig oder auf Arbeitssuche sind – es muss also kein nachgewiesener Bedarf vorliegen.
  

Erkenntnis 2: Besser zahlende Unternehmen kümmern sich – Billiglohnklitschen eher nicht.

Weil die in Kita-Schließzeiten berufstätigen Menschen vor allem aus den Damen und Herren der sogenannten „Kreativwirtschaft“ bestehen und nicht etwa Supermarktkassiererinnen, S-, U- und Straßenbahnfahrern, Krankenpflegern, Ärztinnen, Taxifahrern, Kraftwerksmaschinisten oder Paketsortierern bei der Post, hatten sich die Verfasser der Studie die „Backfabrik“ in der Saarbrücker Straße als Beispielobjekt erwählt, „weil die Backfabrik als ein kreatives Zentrum des Bezirks gilt.“

Aha.

Nach nur fünf „Expertengesprächen“ mit Unternehmensleitungen von dort ansässigen Firmen, „vorerst mit dem Ziel, festzustellen, ob die Backfabrik als adäquates Befragungsfeld für den Bedarf an flexibler Kinderbetreuung bei jungen Eltern, die dort im Kreativbereich tätig sind, geeignet ist“, kam man schließlich zu der Überzeugung: Ja, isse.

Nachdem das geklärt war, konnte die Tiefenrecherche beginnen.

Das Ergebnis: Es gibt Firmen, die Eltern unterstützen und andere, die es nicht tun.

Als Positivbeispiel wurde unter anderem das Unternehmen „Wooga“ genannt, das mit den Fröbel-Kitas kooperiert und dort Belegplätze für die Kinder ihrer Mitarbeiter reserviert. Außerdem arbeitet Wooga mit einem Notfall-Babysitter-Service zusammen, den die Eltern bis zu einem bestimmten Kontingent nutzen können. Zudem erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Betreuungskostenzuschuss für ihren Kita-Platz und die Arbeitszeiten können individuell flexibel gestaltet werden.

Als Negativbeispiel wurde der Callcenterbetreiber „Perry und Knorr“ aufgeführt, der nicht nur äußerst übersichtliche Löhne zahlt und darüber hinaus kein Interesse an dem Thema flexible Kinderbetreuung habe.

Eine Mitarbeiterbefragung in der Brotfabrik ergab zudem: Je höher qualifiziert und umso höheres Einkommen, je weniger Bedarf an gesellschaftlichen Lösungen zur flexiblen Kinderbetreuung.

Wohl, weil die Besserverdienenden aus dem reichhaltigen kommerziellen Angebot auswählen können, ohne auf die Geldbörse zu schauen.
 

Erkenntnis 3: Stendal und Schwerin sind anders als Berlin

Wann immer es um „flexible Kinderbetreuung geht, fällt irgendwann auch einmal das Wort von der „24-Stunden-Kita“.
Und wenn es fällt, dann fliegen nicht selten die Fetzen.
„Tagesspiegel“-Parlamentsredakteurin Antje Sirleschtov-Parlamentsredakteurin Antje Sirleschtov beispielsweise die nebenher mit ihrer steilen These, die „Entkoppelung der Familie war Staatsziel der DDR“ aufzeigt, dass das Bildungsprekariat auch in serösen Tageszeitungen längst Fuß gefasst hat, befürchtet, dass in der hiesigen Marktwirtschaft erst mit der Einführung einer „Rund-um-die Uhr-Kita“ die „Ökonomisierung der Familie“ stattfinden würde stellt, um dann eine solche Einrichtung mit den „Wochenkrippen“ aus der DDR der 50er und 60er Jahre gleichzustellen, in denen die Säuglinge von Montag bis Freitag verblieben.
Auf der anderen Seite begrüßt der katholische) Bischof Franz-Josef Overbeck vom Bistum Essen den Vorstoß von Familienministerin Schwesig, ein 100-Millionen-Programm zur Förderung von Ganztags-Kitas nicht nur, sondern will in seinem Bistum auch selbst zwei solcher Einrichtungen eröffnen.
Da es in Berlin bisher noch keine Ganztags-Kita gibt, haben sich die Ersteller der Studie auf die rese begeben: Nach Schwerin und nach Stendal.

Der Erkenntnisgewinn war erstaunlich: „Die beiden Exkursionen zu 24h-Kitas nach Stendal und Schwerin (…) zeigen, dass in Berlin, verglichen mit kleineren Städten, in vielerlei Hinsicht andere Bedingungen herrschen.“

Tja.

Da sind nämlich die Weg kürzer, als in Berlin – und somit auch der Weg zu einer 24-Stunden-Einrichtung. Die Eltern hättens aber gerne nah.

In Buch allerdings – einer Kleinstadt innerhalb des Bezirks Pankow – wird von der HELIOS-Klinik ein solches Projekt angedacht. Hier würde es tatsächlich Sinn machen: Viele Beschäftigte arbeiten in den Kliniken des Stadteils in Schichtdiensten – zugleich sind die Wege eben kurz.

 

Erkenntnis 4: Flexible Kinderbetreuung sollte flexibel gehandhabt werden

Mittels Befragung Betroffener fanden die Studienautoren heraus, dass die heutigen Eltern trotz anderweitiger Befürchtungen keine Rabenmütter und -väter sind, die ihre Kinder tagelang irgendwo ablegen wollen, sondern Menschen, die Beruf und Familie optimal miteinander verbinden möchten.

Hilfreich wären da schon längere Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen – also statt von 8 bis 17 Uhr eine Öffnung von 6 bis 21 Uhr. Allerdings wurde der Ausbau von Kitaplätzen in den vergangenen Jahren vor allem durch die Gründung kleiner Einrichtungen geprägt, die des engen Finanzrahmens wegen meist nur von 8 bis 16.30 offen stehen.
Als erstrebenswert wird von den Eltern auch die vom Jugendamt angebotene „Ergänzende Kindertagespflege“ angesehen, seit 2012 steigt die Nachfragen kontinuierlich an.

Woran es fehlt, ist ausreichendes Personal, denn die Vergütung ist so kärglich, dass sie oft nur als Zubrot für Studenten, Rentner oder ALG-2-Empfänger infrage kommt.

Die Arbeitsgruppe, die die Studie erstellt hat, könnte sich auch eine Vernetzung zwischen Kita und Ergänzender Tagespflege vorstellen – etwa in der Form, dass die „Tagespflegerinnen“ bei einem Kita-Träger angestellt sind und bei bedarf auch ins Haus kommen. In Berlin gibt es solches Modell noch nicht, aus Hamburg, Essen und Hagen wird jedoch Positives berichtet. Aber auch hier staht und fällt das Ganze mit der jeweiligen Finanzierung.

 

Fazit

Der Mensch an sich ist halt verschieden – und ebenso unterschiedlich sind auch die Wünsche und Bedürfnisse in Sachen Kinderbetreuung.

Einem Großteil der Eltern würden schon Kita-Öffnungszeiten der 6 – 18 Uhr ausreichen, um die Arbeits– und Wegezeiten abdecken zu können.

Eltern mit flexiblen Arbeitszeiten favorisieren eine Betreuung der Kinder im häuslichen Umfeld – wären also ein Fall für die „Ergänzende Tagespflege“. Um dafür ausreichend – eben auch qualifiziertes – Personal bereitstellen zu können, bedarf es allerdings auch einer Entlohnung der Betreuer, die diesen Namen auch verdient.

Den Autoren der Studie zufolge soll ein Entwurf der „AV Kindertagespflege“ der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft
entsprechende Änderungsvorschläge beinhalten. Die Entscheidung der Senatsverwaltung für Finanzen dazu steht allerdings noch aus.
 
 

Bei Franziska Lasker ist das Problem übrigens bis auf weiteres gelöst: Ihr Mann arbeitet seit Anfang Juli wieder in Berlin. „Das halbe Jahr“, erzählt sie, „war eigentlich ein einziges Improvisieren.“ Klein-Lena konnte abwechselnd bei einer Nachbarfamilie und einer in Weißensee wohnenden Freundin unterkommen – je nachdem, wer gerade Zeit hatte und verfügbar war. Und wenn gar nichts ging, gelang es ihr auch schon mal, den Dienst zu tauschen. Ihr Fazit: „Nochmal möchte ich so etwas nicht mitmachen.“

 

Und hier gehts zur Studie im Volltext==>

Flyer mit Adressen zur flexiblen Kinderbetreuung==>

 

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