Pankow beschließt „optimistischen“ Haushalt

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Optimismus – das Wort fiel während der abschließenden Haushaltsdebatte bei der gestrigen Tagung der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) immer wieder. Und in der Tat muss man ein gnadenloser Optimist sein, wenn man sich den nun beschlossenen Doppelhaushalt 2016/2017 betrachtet.
Der wiegt genau 1.644.110.600 Euro – 822.055.300 Euro für 2016 und 842.661.700 Euro für 2017 – und ist, wie es sich für einen ordentlichen Haushalt geziemt, bei Einnahmen und Ausgaben bis auf den letzten Euro ausgeglichen.

Zumindest auf dem Papier.
 

Ziel: Keine Kürzungen mehr

Die Ausgangslage war nicht wirklich rosig: Einnahmen, die früher einmal durch den Verkauf von bezirkseigenen Immobilien in die Kasse flossen, sind versiegt; die EU-Förderung für die Stadtteilzentren ist ausgelaufen und die Kücheneinrichtungen von Schulen müssen die Bezirke künftig auch selbst finanzieren.

Doch bereits der Eckwertebeschluss (das ist eine Art Haushaltsvorschlag) des Bezirksamtes, der den Bezirksverordneten bereits im Juni vorgelegt wurde, sah – anders als in den Vorjahren – keine Kürzungen mehr bei den Ausgaben vor.

Im Juli dann ein Tiefschlag aus Richtung Landesregierung: Das Bezirksamt wurde mit der Mitteilung über die Höhe der zu erwartenden „Globalsumme“ (das sind die Überweisungen des Landes Berlin mit Ausnahme der Investitionsmittel) mit einer vom Land Berlin vorgenommenen Umschichtung von Jugendhilfemitteln zugunsten sozial schwächerer Bezirke überrascht – was einen Fehlbetrag von über 3 Millionen Euro für die kommenden zwei Jahre bedeutet.

 

Schulden werden gestreckt

Damit Kürzungen im Bezirkshaushalt dennoch vermieden werden können, wurde Bürgermeister Matthias Köhne bei der Senatsverwaltung für Finanzen vorstellig, um eine Streckung der vom Bezirk noch abzuzahlenden Schulden zu erreichen.
So wird die letzte Tranche in Höhe von rund 5 Millionen Euro, die eigentlich 2017 an die Landeskasse überwiesen werden sollte, aufgeteilt: 2017 werden nur 2,5 Millionen Euro in des Finanzsenators Schatulle wechseln – der Rest in der gleichen Höhe folgt 2018.

Doch das reichte längst nicht aus, um am Ende zu einer Schwarzen Null zu gelangen.

Denn nicht nur der Stand der Vorjahre war zu halten, es kamen auch zusätzliche Ausgaben hinzu. Zum einen beim Personal, das natürlich nach Tarif bezahlt wird und dem die Erhöhungen der Bezüge natürlich nicht streitig gemacht werden können.
Auch eine – längst fällige – Erhöhung der Bezüge der Freien Träger (2016:2,1 %, 2017: 2,3 %), die viele jener Aufgaben übernommen haben, die einstmals von der Kommune geleistet wurden. Auch die Mieterberatung Prenzlauer Berg musste auf Grund der Ausweitung der Milieuschutzgebiete und des damit verbundenen erhöhten Beratungsbedarfs üppiger als bisher ausgestattet werden.
Also wurde gerechnet, verglichen und gesucht, wo noch ein paar Euro versteckt sind.
Beziehungsweise versteckt sein könnten.

 

Müssen sich Bezirksamtsmitarbeiter künftig warm anziehen?

Allein im September tagte der Finanzausschuss der Pankower Bezirksverordnetenversammlung neun Mal – und am Ende sah sich der Konjunktiv zur Tatsachenbehauptung geadelt.

So wurden die die Betriebskosten für das Bezirksamtsareal an der Fröbelstraße auf 15 Millionen Euro festgelegt – im vorangegangenen Haushaltsszeitraum betrugen die Kosten real um die 17 Millionen.
Ob diese Reduzierung mit einer Drittelung der Beleuchtung der Amtsstuben erreicht werden soll oder aber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Winterhalbjahr dicke Wolldecken als Ersatz für die möglicherweise heruntergefahrene Heizung zur Verfügung gestellt werden, war dem außenstehenden Beobachter nicht ganz klar.

Auch die prognostizierten Einnahmen der Parkraumbewirtschaftung erklommen ungeahnte Höhen und – nimmt man die Zahlen des Haushalts – werden künftig Heerscharen von mit einen Maßband bewaffnete Ordnungsamtsmitarbeiter durch die Straßen patroullieren, um jeden noch so kleinen Verstoß gegen die Regeln der Nutzung von öffentlichem Straßenland mit saftigen Geldbußen zu ahnden. Für die kaum mehr als zwanzig Personen zählende Truppe eine geradezu herkulische Herausforderung.
Letzteres schien selbst den Mitgliedern des dafür zuständigen Ausschusses für Verkehr und öffentliche Ordnung zu phantasiereich zu sein – und so ließen sie protokollieren:

Mit Blick auf das Ist, Stand Juli 2015 (- 1,938 Mio Euro), hält der Ausschuß die erfolgte Absenkung der Einnahmeerwartung nicht für ausreichend. Ein Einnahmerisiko … in Höhe in Höhe von mindestens 750 T Euro besteht in diesem Titel fort.

 

CDU-Fraktionschef Johannes Kraft: „Schummelei“

Trotz allem war der Finanzausschuss am Ende mit seiner Arbeit zufrieden. So zufrieden, dass Ausschussvorsitzender Dennis Probst konstatieren konnte, dass das Gremium dem Werk bei zwei Enthaltungen einstimmig zugestimmt hat.
Diese Einigkeit reichte allerdings nicht bis zur BVV-Tagung. Nachdem sich die die Fraktionen mit dem Ergebnis befasst hatten, mochten die Piraten plötzlich nicht mehr Ja sagen und kündigten schon vorab eine Stimmenthaltung an.
Die CDU – deren Angehörige im Finanzausschuss noch Stimmenthaltung geübt hatten, lehnten den Haushaltsentwurf nun gänzlich ab.
Fraktionsvorsitzender Johannes Kraft wies auf die zahlreichen Einnahmerisiken hin und sprach sogar von „Schummelei“.
Linke, Grüne und Sozialdemokraten blieben hingegen optimistisch und ließen den Doppelhaushalt passieren.

Dass der nun verabschiedete Doppelhaushalt nicht ganz ohne Risiken behaftet ist, war auch Matthias Köhne – der als Bürgermeister zugleich auch „Finanzminister“ des Bezirkes ist – klar. Werden die Einnahmevorgeben nicht erreicht, so Köhne, könnten die darauffolgenden Jahre für den Bezirk hart werden

Aber auch er war optimistisch, dass der Haushaltsplan der Realität stand hält.

 

Übrigens: Ob Optimismus tatsächlich ansteckend ist – wie immer behauptet wird – kann man in den kommenden Wochen erfahren. Nämlich dann, wenn die zuständigen Gremien des Landes Berlin den Daumen über den Pankower haushalt heben oder senken werden.

 



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