Storkower 133a: Seit sechs Wochen volles Programm | Prenzlberger Stimme

Storkower 133a: Seit sechs Wochen volles Programm

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Der Hof in der Storkower Straße 133a ist proppevoll. Aus den Lautsprecherboxen dröhnt Musik, in der Mitte des Hofe wird getanzt. Auf der einen Seite ist eine riesige Hüpfburg aufgebaut, auf der anderen stehen Speisen, die zuvor in der Küche der Notunterkunft zubereitet wurden. Ganz am Rande zwei Männer, offensichtlich im Widerstreit miteinander, ein älterer Wachmann versucht zu vermitteln. Jan Schebaum, der Leiter der Flüchtlings-Notunterkunft, taucht plötzlich aus dem Gewühl auf. Zehn Minuten redet er mit den Beteiligten, dann hat sich die Situation entspannt.
 
01aDiese Szene am Rande des Festes „Kiez goes Storkower“, das am Sonntag zusammen von Unterstützern, ehrenamtlichen Helfern und Bewohnern der Notunterkunft ausgerichtet wurde, ist eigentlich syptomatisch: Eine solche Einrichtung zu leiten, braucht es den Überblick im allgemein herrschenden Chaos, Durchsetzungsfähigkeit und stabile Nerven.

Sechs Wochen nach der blitzartigen Umwidmung des einstigen Bürogebäudes in eine Notunterkunft sind die meisten der rund 250 Bewohner noch immer nicht beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) registriert.
Eigentlich wollte das LaGeSo die Registrierung mit mobilen Teams in den einzelnen Notunterkünften der Stadt vornehmen. Doch bis in die Storkower Straße sind sie nie gekommen. „Das schafft Unsicherheit“, sagt Jan Schebaum.
Denn wer nicht einmal registriert ist, ist quasi nicht existent und kann nicht einmal zum Arzt gehen. Und er hat auch keine Chance, in absehbarer Zeit aus der Enge der Notunterkunft – vier Personen teilen sich in der Regel ein rund zehn Ouadratmeter großes Zimmer – in eine andere Bleibe zu ziehen.

 

Ohne Registrierung faktisch nicht existent

In der vergangenen Woche hatte das Amt „von einem Tag zum anderen“ (Jan Schebaum) die Betreiber der Notunterkünfte zusammengerufen, um einen neuen Registrierungsmodus zu verkünden.
Danach werden in einem bestimmten Rhythmus bereits vergebene Wartenummern an die Notunterkünfte gesandt, versehen mit dem Datum, an dem der jeweilige Nummerninhaber zur Registrierung in das ehemalige Landesbankgebäude in der Bundesallee vorsprechen kann. Erst wenn die schon vergebenen Wartenummern irgendwann einmal abgearbeitet sein werden, vergibt das LaGeSo neue – so will man wohl künftig lange Schlangen vor dem Amt vermeiden.

Wer nicht registriert ist, ist für die Verwaltung nicht existent

Wer nicht registriert ist, ist für die Verwaltung nicht existent

Jan Schebaum schätzt, dass ungefähr dreißig bis vierzig Bewohner der Storkower 133a Wartenummern besitzen. Was auch bedeutet, dass für alle anderen wohl noch eine nicht unbeträchtliche Zeit warten müssen: Auf die amtliche Bestätigung, dass sie überhaupt da sind.
Erst nach der Registrierung kann logischerweise ein Asylantrag gestellt werden. Dabei dürften hier die meisten Anträge erfolgreich sein, kommen doch fast alle Bewohner aus Syrien.
Auch Leistungen jedwelcher Art wie zum Beispiel das – neuerdings gewährte – BVG-Ticket, Bargeld oder anderes in Anspruch genommen werden. Das schränkt die Bewegungsfreiheit ungemein ein und lässt die Enge noch spürbarer werden.
Eigentlich kann so eine Notunterkunft nur eine Übergangslösung sein – für höchstens zwei, drei Monate. Danach sollte eine „normale“ Unterkunft gefunden sein. Doch Leiter Jan Schebaum winkt ab; er rechnet damit, dass es bis zu einem Jahr dauern kann, bis ein Flüchtling woanders eine Bleibe finden.
 

Bereits am dritten Tag der erste Deutschunterricht

Ohne den Unterstützerkreis, sagt Jan Schebaum, wäre er von Beginn an aufgeschmissen gewesen. Der Stamm der ehrenamtlichen Helfer, die vor sechs Wochen das ehemalige Bürohaus binnen sechs Stunden zur Unterkunft umfunktioniert hatten, war bereits im nahegelegenen „Rupert-Neudeck-Haus“ in der Storkower Straße 139 tätig.

Nach drei Tagen der erste Deutschkurs - Foto: Pankow hilft/Storkower

Nach drei Tagen der erste Deutschkurs –
Foto: Pankow hilft/Storkower

Der Unterstützerkreis fühlt sich nun für beide Häuser zuständig. Bereits drei Tage nach Eröffnung der Notunterkunft Storkower Straße 133a gab es hier den ersten Deutschunterricht.
Unmittelbar nach der Eröffnung meldeten sich weitere freiwillige Helfer.
„Gegenwärtig haben wir rund vierhundert Leute auf unserer Mailingliste“, erzählt Tino Schopf, der schon bei der Eröffnung des Rupert-Neudeck-Hauses mit dabei war. „Und es kommen immer noch mehr dazu“. Erst kürzlich wurden zwei Treffen für Neueinsteiger veranstaltet, ein weiteres folgt am 19. November.

Tino Schopf, Jan Schebaum

Tino Schopf, Jan Schebaum

Übernahmen die ehrenamtlichen Helfer in den ersten Tagen die meisten anstehenden Aufgaben rund um den Einzug der Flüchtlinge, so konnte der Träger der Einrichtung – das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) – mittlerweile die Hälfte der notwendigen Stellen besetzen. Neben den vorhandenen Sozialarbeitern gibt es nun auch hauptamtliche Mitarbeiter für die Kinderbetreuung in beiden Häusern und für die Küche in der Storkower 133a einen fest angestellten Hauswirtschaftler.
In acht Arbeitsgruppen koordinieren organisieren die ehrenamtlichen Helfer all das, was das Leben in der Enge der Unterkunft erträglicher macht und was – zum Teil eigentlich staatliche Aufgaben wären.

"Garten & Hof" - Foto: Pankow hilft/Storkower

„Garten & Hof“ – Foto: Pankow hilft/Storkower

So wechseln sich rund zwanzig Mediziner – ebenfalls unentgeltlich – bei der gesundheitlichen Betreuung der Flüchtlinge ab; bei einem „Runden Tisch“ mit Ärzten des Vivantes Klinikum am Friedrichshain wird man demnächst über Impfungen und und Seuchenprävention reden.

Da unregistrierte Flüchtlinge keinerlei materielle Leistungen erhalten, sind Sachspenden für sie fast schon lebenswichtig. Die kamen buchstäblich von ersten Tag an – eine Arbeitsgruppe sich um die Sortierung, die Ausgabe und ermittelt der aktuellen Bedarfe. Eine andere Gruppen kümmern sich um „Garten & Hof“, um „Alltagsbegleitung“ oder um „Kommunikation und Internet“.

Auch die Arbeitsgruppe, die sich um Sport- und Freizeitangebote im Haus sowie Ausflüge und den Besuch von Veranstaltungen organisiert und koordiniert, hat alle Hände voll zu tun. So gabs einen vom UCI Kinowelt gesponserten Kinobesuch im „Colosseum“, Alba lud zu einem Bskerballbundesligaspiel in die O2 World (die jetzt wohl Mercedes-Benz-Arena heißt) ein, die quasi um die Ecke liegende Grundschule am Blumenviertel hatte zum Hoffest eingeladen, ein Picknick auf dem Tempelhofer Feld…
Letzter Höhepunkt war das Hoffest am vergangenen Sonntag.
„Wenn es jetzt kälter wird, werden wir uns um mehr Veranstaltungen in geschlossenen Räumen bemühen“, sagt Tino Schopf.
Gerade erst kam die Nachricht herein, dass im alten Stummfilmkino „Delphi“ an der Weißenseer Spitze am 29. November eine Art offene Bühne für Flüchtlinge veranstaltet wird. Und der Veranstaltungsterminplan für die kommende Woche ist auch gerade fertig geworden…

 

Hier gehts zur offenen Facebookgruppe der Storkower 133a

Hier finden sich die Kontakte zu den einzelnen Arbeitsgruppen

 

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