„Antifaneutralisator“ Wirtensohn (AfD) will Theater neutralisieren

 

Stephan Wirtensohn, Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV), der im April dieses Jahres als mit einem Schnellfeuergewehr posierender „Antifaneutralistor“ über die Grenzen Pankows hinaus bekannt wurde, möchte nun das kommunale „Theater unterm Dach“ am Prenzlauer Berger Thälmannpark neutralisieren.

In einem Antrag, über den in der kommenden Tagung der BVV am Mittwoch abgestimmt wird, verlangt Wirtensohn, das Bezirksamt möge die Leiterin des „Theater unterm Dach“, wegen „ der Verletzung des politischen Neutralitätsgebotes
zu ermahnen“. Weiter heißt es in dem Antrag: „Gleichzeitig ist dem ‚Theater unterm Dach‘ durch das Bezirksamt im Falle einer erneuten Verletzung des Neutralitätsgebotes die Einstellung der finanziellen Förderung anzuzeigen.“

Anlass für den Antrag ist für Pankows Chefneutralisator die Aufführung des Stückes „Dreck“ von Robert Schneider.
Das steht zwar – in einer Inszenierung von Oleg Myrzak – schon seit Ende vergangenen Jahres auf dem Spielplan des Theaters, aber man kann ja seine Augen ja nicht überall haben.

Schneiders Ein-Personen-Stück aus dem Jahr 1993 handelt von einem illegal eingewanderten Iraker, der über sich und seine Erlebnisse reflektiert. Jeden Abend zieht er er allabendlich durch und Kneipen und Bars seiner Stadt zieht, um Rosen zu verkaufen. Er beschwert sich jedoch nicht über sein Leben in einer ausländerfeindlichen Umgebung. die ihn als „Illegalen“ noch viel härter trifft, als „legale“ Flüchtlinge. Stattdessen übernimmt er jede Beschimpfung und Anfeindung die ihm entgegengebracht und steigert sich so in einen schier unendlichen Selbsthass hinein.

 

„Geschichtsklitterung“, weil AfD mit Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in Verbindung gebracht wird

Anstoß nimmt Wirtensohn zum einen an der Ankündigung des Stückes auf der Webseite des Theaters. Dort ist zu lesen:
„Das Stück »Dreck« von Robert Schneider stammt aus der Zeit, als die sogenannte „Flücht­lings­krise“ nicht einmal vor­stell­bar war, genauso undenk­bar war vor 25 Jahren die Mög­lich­keit der Entstehung einer Partei, die mit offen ausländer­feind­lichen und menschen­ver­achtenden Parolen in alle 16 Land­tage der Bundes­republik einzieht und in der laufenden Legislatur­periode im Bundes­tag bereits vertreten ist.“

Dies, so der AfD-Fraktionsvorsitzende, sei „Geschichtsklitterung“, weil ein „Bezug zu einer erst zwanzig Jahre nach dem Erscheinen des Stückes“ hergestellt werde.

Auch das Stück selbst – eines der meistgespielten Bühnenwerke im deutschsprachigen Raum – ist dem Vertreter jener Partei, die mit offen ausländer­feind­lichen und menschen­ver­achtenden Parolen in alle 16 Land­tage und in den Deutschen Bundestag eingezogen ist, und in der laufenden Legislatur­periode im Bundes­tag bereits vertreten ist, suspekt.
Denn es sei „nicht frei von Hass und Hetze.“ Wo er Hass und Hetze“ erkennt, lässt Wirtensohn offen, stattdessen versteigt er sich, zu der Behauptung, dort würden „die Gesetze der Bundesrepublik mit Füßen getreten, und ein rechtsfreier Raum (…) hergestellt.“

Der bizarre Antrag, mit dem Wirtensohn die vom Grundgesetz garantierte Kunstfreiheit außer Kraft setzen möchte, ist nicht das Produkt eines verwirrten Einzelnen.
Bundesweit versucht die AfD, Einfluss auf Theater und deren Spielpläne zu nehmen, missliebige Veranstaltungen absetzen zu lassen und nicht genehme Künstler zu maßregeln.

 

Teil einer bundesweiten Strategie

Schon 2015 klagte die AfD-politikerin Beatrix von Storch gegen die Aufführung des Stücks „Fear“ von Falk Richter an der Schaubühne, da dort Fotos von ihr verwendet wurden. In Paderborn stellte die AfD Strafanzeige gegen das Theater wegen „Verleumdung und Volksverhetzung“, weil in der Aufführung eine Grafik gezeigt wurde, die die Wahlergebnisse der NSDAP und der AfD gegenüberstellte. Die Staatsanwaltschaft nahm wegen des Fehlens der rechtlichen Voraussetzung keine Ermittlungen auf.

Mehr Erfolg hatten die Rechtsextremen am Bauhaus in Dessau (Sachsen-Anhalt), Dort war vom ZDF die Aufzeichnung eines Konzerts der Band Feine Sahne Fischfilet geplant. Kurz vor der Veranstaltung knickte die Bauhaus-Stiftung vor den Protresten der AfD ein und übernahm in der Begründung der Absage des AfD-Spin von der politischen „Neutralität“ der Stiftung, die sich nicht mit den Intentionen der Band deckten.

 

„…werden wir natürlich sagen, dass das Ding zugemacht werden muss“

Front machte die AfD auch gegen ein Dessauer Tanztheaterprojekt deutscher und syrischer Jugendlicher mit dem Titel „Das Fremde so nah“, das sich mit Fremdheits- und Fluchterfahrungen auseinandersetzte. Dies sei ein „manipulative Theaterprojekt“, das darauf abziele, „Jugendlichen den Sinn für die Differenz zwischen dem Eigenen und dem Fremden abzuerziehen“, wetterte der AfD-Landtagsabgeordnete Gottfried Backhaus.

Deutlicher wurde bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag Hans-Thomas Tillschneider.: „In Zukunft“ so der Politiker, „wird die AfD ganz genau auf die Programmatik der Bühnen schauen, Intendanten, die ein zu buntes Agitprop-Repertoire mit Regenbogen-Willkommens-Trallala auf die Bühne bringen, denen muss man die öffentlichen Subventionen komplett streichen. Wenn ein Theater nur solche Stücke spielt, ansonsten nichts Sinnvolles macht, dann sehen wir keinen Sinn mehr darin, das zu fördern, dann werden wir natürlich sagen, dass das Ding zugemacht werden muss.“

 



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