Obdach rund um die Uhr


 

Der 1. Mai war für die Gäste der Storkower Straße 133a ein besonderer Tag: Sie konnten in aller Ruhe ausschlafen. Das klingt banal, ist es aber nicht. Denn in dem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Energieuntgernehmens Vattenfall waren 100 Übernachtungsplätze im Rahmen der Berliner Kältehilfe eingerichtet worden. Die Menschen, die dort ein Bett für die Nacht erhielten, mussten des Morgens wieder raus auf die Straße. Mit Beginn dieses Monats hat sich das nun geändert – das Haus kann als ganztägige Bleibe für Obdachlose genutzt werden.

Anlass ist die Covid19-Pandemie.
 

Alle Plätze „ausgebucht“

„In Zeiten von Corona können wir obdachlosen Menschen nicht sagen, sie sollen zu Hause bleiben“, hatte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) schon von einigen Wochen klargestellt, als in der Tiergartener Kluckstraße eine Jugendherberge für ganztägig für 200 obdachlose Menschen geöffnet wurde.

Storkower Straße 133a

Hinzu kam eine weitere Einrichtung der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße, wo 106 Menschen für die kommenden Wochen 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche untergebracht werde.
Alle drei Einrichtungen, für die der Senat monatlich rund 850.000 Euro aufwendet, sind praktisch „ausgebucht“.

In dem einstigen Bürohaus in der Storkower Straße ist auf fünf Etagen Platz für 100 Gäste. Sie Zimmer sind karg möbiliert: Ein Bett und ein Stuhl für jeden, höchstens zwei Personen in einem Zimmer.
Die Habseligkeiten können in den Büro-Einbauschränken verstaut werden. Es gibt Duschen und im Erdgeschoss befinden sich ein ein Gemeinschaftsraum und eine Küche. Jeder kann nach belieben kommen und gehen.
 

„Perspektiven erarbeiten“

Getragen wird die die Unterkunft von der gemeinnützigen Gesellschaft GEBEWO, die unter anderem in Pankow seit dem vergangenen Jahr ein neuerbautes „Übergangshaus“ betreibt, in dem Langzeitobdachlose spezielle Unterstützung erhalten, um wieder ein Leben in einer eigenen Wohnung führen zu können.

Robert Veltmann

Perspektiven erarbeiten, erklärte GEBEWO-Geschäftsführer Robert Veltmann am Montag beim Besuch der Sozialsenatorin der Prenzlauer Berger Unterkunft, sei auch das Anliegen in der Storkower Straße.

Zuerst einmal sei es aber nötig, dass die Menschen zur Ruhe kämen.

Dazu trage nicht nur bei, nun auch tagsüber ein Dach über den Kopf zu haben und sich auch mal zurückziehen zu können – auch dass es drei Mahlzeiten am Tag gibt, die Möglichkeit zu duschen besteht, eine Kleiderkammer vorhanden ist oder jeden Abend ein Arzt eine ambulante Sprechstunde abhält, habe zur merkbaren Entspannung der Menschen beigetragen.
 

„Gut, dass Sie hier beraten werden“

Nicht wenige, die in Berlin ohne Obdach sind, kommen aus anderen Ländern und sind hier aus unterschiedlichsten Gründen gestrandet. Oft beherrschen sie die deutsche Sprachen gar nicht oder nur mangelhaft. Um eine Verständigung – und damit eine weitergehende Hilfe – möglich zu machen, hat die GEBEWO ihr Projekt „Frostschutzengel“ mit ins Boot geholt, das Beratung in mehreren Sprachen anbietet.

Elke Breitenbach, Alexander

Alexander, den es 2013 aus Lettland nach Berlin verschlagen hat, benötigt keinen Dolmetscher – sein Deutsch ist fast perfekt.
Nach Berlin, so erzählt er, sei er gekommen, weil ihm hier „ein russischsprachiges Unternehmen“ einen Job auf dem Bau angeboten hatte. Da habe der als Installateur gearbeitet und auch Baumaschinen bedient. Dann sei das Unternehmen den Bach runtergegangen und er stand ohne Geld und ohne Arbeit da. Irgendwann habe er dann seine Wohnung verloren und sei auf der Straße gelandet.
„Aber wenn Sie hier gearbeitet haben“, wirft Elke Breitenbach ein, die das Gespräch verfolgt hatte, „haben Sie doch auch Anspruch auf soziale Sicherung, die Ihnen Ihre Wohnung erhalten hätte.“ Alexander hebt ein wenig hilflos die Schulter: „Tja… .“ „Gut“ sagt die Senatorin, „dass hier nun beraten werden.“

Man muss den Menschen eine Perspektive eröffnen, findet GEBEWO-Geschäftsführer Veltmann, denn ein Leben in einer solchen Unterkunft kann keine Sache auf Dauer sein

Für Alexander scheint sich eine solche Perspektive zu eröffnen. Nun, wo er zumindest auf Zeit wieder eine feste Adresse hat, habe ihm ein deutsches Unternehmen einen Job angeboten.
 

Ende Juni ist schon wieder Schluss

Nicht von Dauer ist auch die Unterkunft selbst. Das Bürogebäude, das einst dem Energieunternehmen Vattenfall als Verwaltungsstandort diente, wurde im September 2015 eilends leergezogen, als es galt, irgendwie Platz für die damals in großer Zahl nach Deutschland kommenden Flüchtlinge zu schaffen. Nachdem das Haus als Notunterkunft nicht mehr benötigt wurde, stand es erst einmal leer und wurde dann sowohl im Winter 2018/19, als auch 2019/10 für die Kältehilfe genutzt.
Mittlerweile gehört es der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM).

„Wir hätten das Gebäude gern für ein längerfristiges Projekt übernommen“, erklärte Robert Veltmann der Prenzlberger Stimme. Doch der Bezirk Pankow habe sich dagegen ausgesprochen. So müsse man das Haus Ende Juni wieder räumen. „Die BIM hat mitgeteilt, dass sie ab Juli das Gebäude umbauen will.“ Offenbar ziehen danach dann wohl wieder Büros ein.

 



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