Was der fast schon legendäre Bündnisgrüne Jens-Holger „Nilson“ Kirchner vor fünf Jahren trotz eines bis an seine physische Grenze gehenden Wahlkampfes nicht geschafft hatte, bewerkstelligte seine Kandidaten-Nachfolgerin Cordelia Koch offenbar fast mühelos: Das Pankower Rathaus wird grün. Mit 24,7 Prozent der abgegebenen Stimmen (= 16 Sitze in der BVV) und einem veritablen Abstand von 5,3 Prozentpunkten zu den zweitplatzierten Linken um den amtierenden Bezirksbürgermeister Sören Benn, gewannen die Pankower Grünen die meisten Sitze in der neuen Bezirksverordnetenversammlung (BVV).
Blickt man isoliert auf den Bezirk, mag das verwundern. Denn das Aushängeschild der Partei, der bündnisgrüne Stadtrat Vollrad Kuhn, erwies sich von Beginn seiner Amtszeit an als Ausfall.
Der grüne Stadtrat: Keine Werbung für die Grünen
Schon kurz nach seinem Antritt wurde durch Recherchen der Prenzlberger Stimme bekannt, dass die ihm unterstehende Stadtentwicklungsabteilung einem Prenzlauer Berger Hauseigentümer hinter dem Rücken der BVV und Kuhns Vorgänger Kirchner Vorteile gewährte, die sachlich nicht nachvollziehbar waren. Das Ergebnis: Die Immobilie galt fürderhin als Neubau – mit der entsprechenden Wertsteigerung für den Eigentümer. Aufgeklärt wurde der Fall nie ganz, für die Verwaltungsveranwortlichen hatte das alles keine Konsequenzen. Stattdessen vertärkte sich der Eindruck, dass es der Verwaltung egal war, wer unter ihr den Stadtrat gab.
So wurde den Bezirksverordneten schon mal ein Bebauungsplanvorhaben präsentiert, das die Bezirksverordnetenversammlung zuvor schon einmal abgelehnt hatte, andererseits wurden Baugenehmigungen für eine Fläche erteilt, bei der die Verordneten zuvor ausdrücklich einen Informationsvorbehalt zu Protokoll gaben.
Nicht selten erschien Kuhn in den Sitzungen der Fachausschüsse minderinformiert, beim Zugriff auf das kommunale Vorkaufsrecht fehlte jegliche Transparenz und, ach ja, dass seine Verwaltung für das Areal des historischen Kinos Colosseum die Bauvoranfrage einer Immobiliengesellschaft verbindlich positiv beschied, fiel ihm auch erst auf, nach dem andere darüber berichteten.
„Parteifreund Trend“ half mit
Das alles kulminierte vor Jahresfrist in einem Missbilligungsantrag der CDU-Fraktion. In der geheimen Abstimmung wurde offenbar, dass selbst Mitglieder der rotgrünroten Zählgemeinschaft mit ihm dermaßen unzufríeden waren, dass für sie eine Ablehnung des Antrags nicht infrage kam.
Also muss man, wenn man den deutlichen grünen Erfolg in Pankow erklären will, den Blick aufs Große und Ganze zu lenken. Tatsächlich scheint der allgemeine Trend in Bund und Land den Pankower Grünen den nötigen Schub verpasst zu haben – begünstigt durch den allgemeinen Abrutsch der Linken. Der fiel allerdings weniger deutlich als anderswo aus. Mit den erreichten 19,4 Prozent (= 12 Sitze) betrug der Stimmverlust der Pankower Linkspartei im Vergleich zur Wahl 2016 lediglich 1,7 Prozent.
The winner is: Sonstige
Entgegen des Trends liegt das Ergebnis der Pankower SPD. Während im Bund Gewinne zu verzeichnen waren und das Berliner Landesergebnis mit minimalen 0,2 Prozentpunkten Verlust weitgehend stabil gehalten wurde, rutschten die Pankower Sozialdemokraten gleich um drei Prozent ab und erhalten nun bei einem Stimmenanteil von 17,1 Prozent elf Sitze. Die CDU kommt auf 12,4 Prozent (acht Sitze) und die FDP, die in der vergangenen Legislaturperiode nur mit zwei Bezirksverordneten vertreten waren, haben mit dem Ergebnis von 5,8 Prozent nun wieder Fraktionsstatus und bekommen drei Mandate. Die AfD erlebte einen krassen Absturz (-5,5 Prozent) und kommt mit 7,8 Prozent noch auf fünf Sitze.
Den größten Zuwachs an Wählern (+4,5 Prozent) haben übrigens „Sonstige“ zu verzeichnen. Doch trotz der beachtlichen 12,8 Prozent aller abgegeben Wählerstimmen, gehen sie bei der Sitzverteilung leer aus.
Olaf Schmidt via Facebook
Sep 27. 2021
okay. Kritischer Artikel ist schon ganz gut. Nur leider werden wir 5 Jahre (ich kanns kaum fassen) damit leben müssen. Was mich noch mehr traurig macht ist die Tatsache, dass es mal wieder jemand ist der nicht aus Berlin stammt. Aber so ist Politik leider.