Als im Sommer ruchbar wurde, dass der bisher auf die lange Bank geschobene Neubau das maroden Stadions im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark plötzlich rucki-zucki ohne B-Planverfahren und der damit verbundenen Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden soll, hatte das Irritationen und Proteste von Betroffenen, Anwohnern und der Bezirkspolitik zur Folge. jetzt ist der Senat zurückgerudert – ein bisschen zumindest.
Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark soll zu einer weiteren „Sportstätte von gesamtstädtischer Bedeutung werden“, hatte im November 2015 der damalige Sportstaatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) vom damals noch rot-schwarzen Senat verkündet. Er bezog sich dabei auf eine im Januar des selben Jahres erstellten Machbarkeitsstudie. Danach sollte die Anlage ein „Leuchtturm“ für den Berliner Sport werden. Schwerpunkt: Behindertensport und Inklusion – also das Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten.
Hintergrund war der erneute Berwerbungsversuch Berlins für die Ausrichtung von olympischen Spielen. Das Stadion an der Cantianstraße sollte Ausrichtungsort für die Paralympics sein. Als Datum für den Baubeginn wurde das Jahr 2018 ins Auge gefasst.
Nach dem Regierungswechsel zu Rotrotgrün erklärte der neu ins Sportsenatorenamt gekommene Andreas Geisel, an den Umbauplänen auch nach dem kläglichen Scheitern der Olympiabewerbung festhalten zu wollen.
Allerdings war nun das Jahr 2021 für den Baubeginn des Stadions vorgesehen. Ein schnellerer Baubeginn, so Geisels damaliger Staatssekretär Christian Gaebler, „ist aufgrund notwendiger Planungsschritte und fehlender Vorarbeiten in der vorangegangenen Legislaturperiode nicht möglich.“ Wie schon zuvor angedacht, sollte das Stadion bei laufendem betrieb Stück für Stück erneuert werden.
Und plötzlich: Hektik
Als Berlin aber im November vergangenen Jahres den Zuschlag für die Veranstaltung der „Special Olympics World Games“, der weltweit größten inklusive Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung, erhielt, brach Hektik aus. Denn neben dem Olympiastadion und dem Messegelände sollte der ja speziell für den Inklusionssport vorgesehene Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark einer der Veranstaltungsorte der Spiele sein. Mit einem Baubeginn 2021 war das aber nicht mehr zu schaffen.
Also beschloss man, den Stadionneubau schon im Sommer 2020 zu beginnen – und den Neubau in einem Ruck zu schultern. Allerdings stand da das Planungsrecht im Wege. Denn für ein reguläres Bebauungsplanverfahren darf man in der Regel schon mal zwei Jahre Veranschlagen.
Bebauungsplanverfahren umgangen
So gab einige Aufregung, als Sportstaatssekretär Aleksander Dzembritzki im Juni in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Michail Nelken (Die Linke) mitteilte, dass der Neubau des Stadions im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ohne ein Bebauungsplanverfahren, sondern nach Paragraph 34 des Baugesetzbuches realisiert werden soll.
Nach dieser Rechtsnorm ist ein Vorhaben ohne B-Plan und ohne die damit verbundenen Untersuchungen und Öffentlichkeitsbeteiligungen zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Da der alte Stadionbau lediglich durch einen neuen ersetzt werde, so der Staatssekretär damals, seien die Voraussetzungen dafür erfüllt. Der Grund für die vorgesehene schnelle Umsetzung sei der marode Zustand des Stadions.
Protest, Zustimmung und Irritationen
Anwohner und Freunde des Mauerparks befürchteten daraufhin, dass der Stadionneubau zusätzliche Belastungen im dicht besiedelten Kiez mit sich bringt, während die Freunde des Mauerparks um den Bestand des Stadionwalls, des Amphitheaters und die Wegeplanungen des Parks bangten.
Uneins ob der Hau-Ruck-Aktion waren sich dagegen die Nutzer des Jahnsportparks.
Während Carsten Maaß, Vorsitzender des Pankower Bezirkssportbundes und 2. Vorsitzender des im Jahnsportpark beheimateten SV Empor nur die sanierungsbedürftige Haupttribüne inklusionsgerecht zu erneuert sehen wollte und in einem Stadionneubau einen Vorboten von Verdrängung des Breitensports durch den Profisport sah, forderten Landessportbund und Berliner Fußball-Verband in einem Brief die sportpolitischen Sprecher im Abgeordnetenhaus auf, die Mittel für den Abriss und den anschließenden Neubau schnellstmöglichst freizugeben.
Die Pankower Bezirkspolitik wiederum fühlte sich vom Alleingang des Senats übergangen. In einer einstimmig gefassten Beschlussempfehlung verlangen zwei BVV-Ausschüssse, das Bezirksamt möge sich bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport dafür einsetzen, „das Bezirksamt und die BVV Pankow bei den Planungen für den Neubau des Cantianstadions und der umliegenden Sportanlagen zu beteiligen.“ Das Papier soll auf der am kommenden Mittwoch stattfindenden BVV-Tagung zur Abstimmung gestellt werden, eine Zustimmung kann als sicher gelten.
Senat: „Sind missverstanden worden“
In einem kurzfristig am Montag bei Innensenator Andreas Geisel (SPD) anberaumten Treffen, an dem neben Geisel auch Staatssekretär Aleksander Dzembritzki, Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, Vertreter der Senatsverwaltung für Finanzverwaltung und der Senatskanzlei und der Pankower Bezirksstadtrat Torsten Kühne (CDU) teilnahmen, erklärte Senatsbaudirektorin Lüscher, dass man nie vorgehabt habe, den Stadionneubau ohne Bebauungsplan durchzuführen: „Wir sind da missverstanden worden.“ Ein Neubau ohne B-Planverfahren, so Lüscher weiter, wäre zwar möglich, aber unklug und aus Respekt vor der Öffentlichkeit unschön.
Tatsächlich wolle man seitens des Senats ein B-Plan-Verfahren für das gesamte Areal inclusive des Stadions durchführen – der Stadionbau werde lediglich vorgezogen. Das ist rechtlich möglich, wenn der vorzuziehende Bau auch nach Paragraph 34 des Baugesetzbuches möglich ist und dem Ziel des B-Planes nicht entgegensteht.
Die Belange der Anwohner würden auch bei dem vorgezogenen Bauvorhaben nicht unberücksichtigt bleiben – so soll etwa für ausreichend Lärmschutz gesorgt werden. Ähnliches wurde am Montag Abend auch in einer Bürgerinformationsveranstaltung mitgeteilt.
Der Abriss des Stadions beginnt im Juni kommenden Jahres. Ob aber der Neubau bis zu den Special Olympic Games im Jahr 2023 betriebsgereit sein wird, steht in den Sternen. Im Senat spricht man von einer „zehnprozentigen Resthoffnung“.
Foto oben: Mangan02 – , CC BY-SA 3.0, Link
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So ist das also: „Tatsächlich wolle man seitens des Senats ein B-Plan-Verfahren für das gesamte Areal inclusive des Stadions durchführen – der Stadionbau werde lediglich vorgezogen. Das ist rechtlich möglich, wenn der vorzuziehende Bau auch nach Paragraph 34 des Baugesetzbuches möglich ist und dem Ziel des B-Planes nicht entgegensteht.“ Das ist eine bemerkenswerte Auslegung des Baugesetzbuches …