Manchmal kommt auch der Pankower Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Vollrad Kuhn (Bündnis 90/ Die Grünen) zu erstaunlichen Erkenntnissen.
„Das ist eine unerfreuliche Sache“, schrieb der Stadtrat am vergangenen Montag der Prenzlberger Stimme auf eine entsprechende Anfrage, “offenbar ist hier nicht Corona der Grund für die Schließung des Kinos sondern die angestrebte beste Verwertung des Grundstücks!“
Die „angestrebte beste Verwertung“ – Endgültige Schließung des Kinos, Schaffung von Einzelhandelsflächen, Bau von Büros – geschieht allerdings mit freundlicher Unterstützung der von Kuhn geführten Pankower Stadtentwicklungsverwaltung.
Was war geschehen?
Auf der Liste hinter einer Hausnummer versteckt
Die Eigentümer der Kino-Immobilie stellten eine Bauvoranfrage für einen Büro-Neubau innerhalb des Geländes.
Eine Bauvoranfrage wird ein Bauherr immer dann bei der zuständigen Behörde stellen, wenn unklar ist, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein Grundstück bebaut werden darf.
In der Innenstadt ist eine solche Voranfrage in der Regel nicht erforderlich, da nach Paragraph 34 des Baugesetzbuches ein Bauvorhaben stets dann zu genehmigen ist, „wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.“
Anders beim „Colosseum“: Das Kino steht unter Denkmalschutz. Hier muss geprüft werden, ob die gewünschte Bebauung mit dem denkmalschützerischen Anliegen in Übereinstimmung steht.
Wie Bezirksstadtrat Kuhn weiter schrieb, wurde der Vorbescheidsantrag im September eingereicht. Er wurde – neben anderen – in einer sogenannten „Vorhabensliste“ festgehalten, die auch die Bezirksverordneten zur Kenntnisnahme erhielten. Dort jedoch war nicht das Kino Colosseum aufgeführt, sondern nur die Adresse Schönhauser Allee 123.
Wenn der Tagesspiegel nun hämisch vermerkt „… der zuständige Ausschuss hat nicht bemerkt, dass es um das Colosseum geht, dabei hätte ein Blick ins Internet gereicht“, geht das etwas an der Sache vorbei.
Denn die Bezirksverordneten üben ihr Mandat neben ihrem eigentliche Beruf ehrenamtlich aus und die Menge der Daten, mit denen sie arbeiten, lässt wohl kaum Raum und Zeit dafür, bei jeder einzelnen Kurzmitteilung des Bezirksamtes danach zu fahnden, welches Haus hinter der entsprechenden Hausnummer steckt.
Klandestines Verwaltungshandeln?
Die Verantwortung dafür, dass der tatsächliche Sachverhalt nur hinter einer Hausnummer versteckt an die Bezirksverordneten weitergegeben wurde, liegt bei der Verwaltung – und natürlich beim zuständigen Bezirksstadtrat.
Doch der wusste nach eigenen Angaben von den Vorgängen in seinem Hause nichts. „Leider hatte die Verwaltung versäumt, über die Gespräche dazu mit den Architekten mich rechtzeitig zu informieren“, so Vollrad Kuhn zur Prenzlberger Stimme.
Da es offensichtlich nicht nur intensive Verhandlungen der Stadtentwicklungsabteilung des Bezirksamtes mit Vertretern des Immobilieneigners gab, sondern wohl auch Hilfestellungen und Hinweise, mit derm Zweck, die Anfrage für den Eigentümer positiv ausgehen zu lassen, stellt sich die Frage, wie klandestin die Verwaltungsmitarbeiter vorgegangen sein müssen, um – vom Stadtrat unbemerkt – den Vorgang zugunsten des Eigentümers abzuschließen.
Déjà vu
Doch von nun an wird alles besser. Denn als Konsequenz aus der Sache, so teilte Vollrad Kuhn der Prenzlberger Stimme mit, hätte er nun in seiner Verwaltung festgelegt, „dass solche Vorhaben grundsätzlich unter meiner Einbeziehung zu diskutieren sind, bevor ein Bescheid rausgeht.“
Doch eine solche Festlegung hatte Kuhn allerdings mindestens schon einmal getroffen – und zwar kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2017.
Damals hatte die Prenzlberger Stimme bei einer Akteneinsicht herausgefunden, dass Mitarbeiter der Stadtentwicklungsabteilung des Pankower Bezirksamtes – vorsätzlich an den Bezirksverordneten vorbei – dem Eigentümer eines Hauses in der Immanuelkirchstraße die Aufhebung des Bestandsschutzes für das Gebäude zusicherten und damit die geltende sozialen Erhaltungssatzung aushebelten. Den beteiligten Amtsmitarbeiter kam seinerzeit das Interregnum vor den unmittelbar bevorstehenden Berliner Wahlen zugute.
Schon da ließ der Bezirksstadtrat, nachdem die Prenzlberger Stimme diesen Vorgang aufgedeckt hatte, verlauten: „Die zuständigen Bezirksamtsmitglieder waren bei der endgültigen Entscheidung Ende 2016 aber nicht ausreichend einbezogen worden – das ist jetzt von mir anders angeordnet worden.“
Die Folgen heruntergespielt
Dass die Anordnungen des Bezirksstadtrates bei seinen Untergebenen offenbar nur eine begrenzte Halbwertzeit haben, ist das eine – dass der Stadtrat nun auch noch versucht, die Angelegenheit als relativ folgenlos herunterzuspielen, das andere.
Im Gespräch der Prenzlberger Stimme erklärte Kuhn, auch wenn man ihm bereits September Bescheid gegeben hätte, wäre kein anderes Ergebnis möglich gewesen.
Das ist schlicht falsch.
Denn der Bezirk verfügt über die Planungshoheit und hätte einen Bebauungsplan für das „Colosseum“ erstellen können. B-Pläne schreiben nämlich nicht nur die Art der Bebauung fest, sondern auch die Nutzungsart. Ein B-Plan mit der Nutzungsvorschrift „Kino“ oder „Kultur“, hätte zumindest eine Garantie dafür gegeben, dass die Immobilie nicht einer „normalen“ Verwertung preisgegeben wird.
Auch Kuhns Einwand, die Zeit wäre dafür viel zu kurz gewesen, trifft nicht zu. Für solche Fälle kann der Bezirk für zwei Jahre eine Veränderungssperre verhängen, die im Falle eines Falles noch um ein weiteres Jahr verlängert werden kann. Und drei Jahre hätten wohl ausgereicht, um das „Colosseum“ mit einem B-Plan zu sichern.
Dies dürfte nun schwieriger werden. Denn eine positiv beschiedene Bauvoranfrage rückgängig zu machen, dürfte – so der Eigentümer nicht markante Änderungen an seinen Plänen vornimmt – so gut wie unmöglich sein.
Für den 2. Juli rufen die Kino-Freunde zu einer Kundgebung auf:
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Colosseum kaputt
Nicole Wolfart via Facebook
Jun 29. 2020
Interessant, dass ausgerechnet die Erben eines hochangesehenen Filmproduzenten ein Kino „plattmachen“!
Amtsfehlerteufel
Jun 30. 2020
Das Stadtentwicklungsamt Pankow mal wieder mit seinen „Fehlern“. Wann wird das traurige Schauspiel der plappernden Grüßauguste („Stadträte“) beendet? Wie oft sollen Medien in Berlin denn noch darüber berichten, dass dem Stadtentwicklungsamt Pankow zufällig mal wieder was durchgerutscht ist oder mal wieder keiner irgendwas gesehen oder bemerkt haben will? Entweder sind die aufeinanderfolgenden Stadträte allesamt komplett unfähig und inkompetent dass sie wirklich von nichts auch nur den blassesten Schimmer haben, dann müsste aber mal über die Einstellungsvoraussetzungen kritisch nachgedacht werden, denn was soll man mit Behördenleitern denen offenbar jeder Mitarbeitende auf der Nase herumtanzen kann… oder die aufeinanderfolgenden Herren wissen ganz genau was in dem Laden seit Jahren läuft und schweigen dazu ganz bewusst in der Öffentlichkeit bzw. verharmlosen diese Vorgänge, in dem sie die Darstellung nach außen als „Fehler“ decken bzw. relativieren. Oder nicht zugeben wollen, dass sie nicht in der Lage sind, diese Zustände zu beenden. Oder steht man in Pankow am Ende sogar wohlwollend hinter diesem Status Quo, dass dieses Amt defacto völlige Narrenfreiheit sämtliche politischen und adminstrativen Kontroll- und Regelungsmechanismen nach Belieben zu Umgehen und außer Kraft zu setzen – so ein Zustand hat ja auch seine wechselseitigen Vorteile… ? ! ?